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Baden-Württemberg - Ausgerechnet Ex-Lehrer und Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) fordert längere Arbeitszeiten speziell für Lehrerinnen – und erntet Kritik
Und so eine Forderung ausgerechnet von einem Ex-Lehrer. Kein Geringerer als Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat in Baden-Württemberg längere Arbeitszeiten für Lehrkräfte ins Gespräch gebracht, um eine bessere Bildung im Land zu gewährleisten. „Vielleicht müssen wir auch mehr arbeiten“, gab Kretschmann am Montagabend (25. April) bei einer Podiumsdiskussion der „Stuttgarter Zeitung“ zu bedenken.
Bundesland | Baden-Württemberg |
Landeshauptstadt | Stuttgart |
Einwohnerzahl | 11.103.043 (31. Dezember 2020) |
Ministerpräsident | Winfried Kretschmann (Grüne) |
Winfried Kretschmann: „Wenn die alle eine Stunde mehr arbeiten würden...“
Zum Beispiel seien sehr viele Lehrkräfte Frauen und viele von ihnen arbeiteten in Teilzeit. „Wenn die alle eine Stunde mehr arbeiten würden, eine Stunde, hätte ich 1.000 Lehrer mehr, die ich dringend brauche“, erklärte der Grünen-Politiker. „Auch das wird vielleicht ein Thema sein.“
Die Schule habe eine zentrale Rolle beim Kampf gegen den Fachkräftemangel, der schon jetzt ein großes Problem in
Baden-Württemberg sei. „Da müssen wir mehr reinstecken.“ Lehrkräfte haben je nach Schulart eine etwas unterschiedliche Wochenarbeitszeit.
Mit Blick auf die vergangenen Jahre hat Herr Kretschmann da wohl etwas verpasst: Viele #Lehrkräfte leisten bereits Mehrarbeit und sind an ihrer Belastungsgrenze. Wertschätzung sieht anders aus!
— SPD Fraktion BW (@spdlandtagbw) April 26, 2022
Baden-Württemberg: „Total daneben“ – GEW kritisiert Kretschmanns Vorstoß
Pädagogen in Grundschulen arbeiten 28 Stunden in der Woche, in Haupt- und Realschulen 27 Stunden, in Gymnasien 25 Stunden. Vor allem in Grundschulen ist der Anteil der Lehrerinnen sehr groß. Im Südwesten gibt es gut 110.000 Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen.
Monika Stein, Landeschefin der Bildungsgewerkschaft GEW, zeigte sich empört über Kretschmanns Vorschlag: „Das ist total daneben“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. „Die Teilzeit-Lehrkräfte arbeiten nicht deshalb weniger, weil es Spaß macht, weniger Geld zu verdienen, sondern weil es für sie notwendig ist Teilzeit zu arbeiten, damit sie ihren Beruf gut ausüben können.“ Es gehe dabei auch darum, Familie und Job unter einen Hut zu bringen.
Mehr Belastung verursacht mehr Ausfälle – GEW-Chefin warnt Kretschmann
Nach zwei Jahren Corona-Pandemie mit übermäßiger Belastung seien viele Lehrerinnen und Lehrer sowie Schulleitungen mit ihren Kräften sowieso schon am Ende, sagte die Gewerkschafterin. Jetzt kämen noch Kinder und Jugendliche dazu, die aus der Ukraine geflüchtet sind.
„Wenn ich die Belastung weiter erhöhe, werden deutlich mehr Lehrkräfte ausfallen“, warnte Stein. Immerhin habe der Ministerpräsident aber einen Erkenntnisgewinn gehabt. „Herzlichen Glückwunsch, Herr Kretschmann, dass Sie jetzt nach elf Jahren Regierungszeit merken, dass Sie einen Lehrkräftemangel haben.“ Den habe die GEW immer vorausgesagt.
Längere Arbeitszeiten für Lehrer? Kritik auch von Lehrerverband
Deutliche Zurückweisung für Kretschmanns Vorstoß nach längeren Arbeitszeiten an Schulen kommt auch vom Deutschen Lehrerverband. „Eine pauschale moralische Aufforderung halte ich jetzt nicht für zielführend“, mahnt DL-Präsident Heinz-Peter Meidinger und weist den Vorschlag des Regierungschefs zurück.
Ein Appell für freiwillige Mehrarbeit sei sicherlich erlaubt, sagte er dem SWR am Dienstag (26. April). Auch ukrainische Lehrerinnen und Lehrer seien eine Hilfe, sie könnten aber nicht die Lösung bringen. (dpa/pek)
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