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Deutliche Kritik am geplanten Industriestrompreis

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Von: Robert Schwarz

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Auf sechs Cent je Kilowattstunde soll der Strompreis für die Industrie gedeckelt werden - allerdings nur für wenige Branchen.
Auf sechs Cent je Kilowattstunde soll der Strompreis für die Industrie gedeckelt werden - allerdings nur für wenige Branchen. © Pixabay

Auf sechs Cent je Kilowattstunde will das Bundeswirtschaftsministerium den Preis für Strom für die Industrie deckeln. Die Handwerkskammer Ulm findet das „ungerecht“. Auch die IHK kritisiert die Pläne.

Heidenheim/Ulm.

Das Bundeswirtschaftsministerium plant, den Preis für Strom für bestimmte Industriebereiche auf sechs Cent je Kilowattstunde zu deckeln. Damit soll die Abwanderung von energieintensiven Betrieben verhindert werden. Die beiden Kammern in der Region kritisieren die Pläne.

Die Handwerkskammer Ulm kritisiert die angekündigten Pläne zum sogenannten „Brückenstrom“ und findet diesen ungerecht: Statt die Wettbewerbsfähigkeit aller energieintensiven Unternehmen und Betriebe zu stärken, sollen nun einige wenige subventioniert werden, so die Organisation. „Es ist verteilungspolitisch ungerecht, dass ein solcher Preis nur für ausgewählte Unternehmen gelten soll – und es passiert nun leider zum wiederholten Mal, dass unsere Handwerksbetriebe ignoriert oder vergessen werden. Schon im vergangenen Jahr hat der Wirtschaftsminister Energiehilfen zunächst nur für Industrieunternehmen auf den Weg gebracht. Das ist und bleibt ungerecht“, sagt Dr. Tobias Mehlich, Hauptgeschäftsführer der Kammer. Ein weiteres vom Handwerk kritisiertes Beispiel war die EEG-Umlage. Auch diese habe einen Großteil der kleinen und mittleren Betriebe jahrelang mit einem immensen Kostenaufwand belastet, während Großunternehmen oft davon befreit waren, so die Handwerksorganisation.

Auch für die IHK Ostwürttemberg überwiegen die Nachteile. „Der Adressatenkreis für einen Industriestrompreis wird beschränkt bleiben. Vermutlich wird eine der einschlägigen Branchenlisten zum Einsatz kommen und damit direkt Nachteile für Teile der Wirtschaft schaffen. In jedem Fall wären Branchen jenseits der Industrie ausgeschlossen“, schreibt die Kammer. In der Region würden „sehr wahrscheinlich nur wenige, besonders energieintensive Betriebe entlastet werden, nicht der breite Mittelstand“.

Weiter steht die Finanzierung im Fokus der Kritik: „Dem Staat werden erhebliche Kosten entstehen, die irgendwer tragen muss. Es besteht ein erhebliches Risiko, dass die Kosten auf alle anderen Stromkunden umgelegt werden“, so die IHK. Auch die Handwerkskammer warnt, dass die Bevorzugung der Industrie nur auf Kosten anderer Stromverbraucher und Steuerzahler umsetzbar sein würde, zum Beispiel von Privathaushalten oder des Handwerks. Die Wettbewerbsfähigkeit der international tätigen Industrie zu stärken, würde eine Schwächung der hiesigen Betriebe bedeuten.

Auch den Energiemarkt sieht die IHK beeinträchtigt. „Weder der Erzeuger des Stroms noch der Industriebetrieb nehmen weiter am Markt teil, da der Staat Ausfallrisiken komplett übernimmt“, heißt es „Dies wird negative Auswirkungen auf die Liquidität insbesondere der Terminmärkte haben, da eine Absicherung der Anlagenbetreiber gegen Windflauten nicht mehr nötig ist.“

„Hilfreicher wäre aus Sicht des Handwerks ein Strommarktdesign aus einem Guss und für alle, damit Energiepreise wieder sinken“, heißt es bei der Handwerkskammer. Hierzu gehöre eine Reform der Strom- und Energiesteuern. Nur international tätige Industrieunternehmen zu privilegieren, benachteilige die regional operierenden Firmen. Zu diesen gehören gerade auch viele energieintensive Handwerksbetriebe, wie Bäckereien, Metzgereien, Mühlen, Textilreiniger und Kfz-Werkstätten. Zwischen Ostalb und Bodensee sind das mehr als 2000 der gut 20 000 Betriebe im Kammergebiet. Allein in der Region gibt es laut Handwerkskammer mehr als 200 energieintensive Handwerksbetriebe. Dazu zählen 164 Metzger, 89 Bäcker, 21 Konditoren sowie 10 Textilreiniger. „Wir reden in jedem zweiten Satz von regionaler Nachhaltigkeit und bekämpfen sie gleichzeitig mit derartigen systemfraglichen Ideen der Staatslenkung von Preisen“, so Mehlich.

Der IHK sowie der DIHK schlagen vor, sich am amerikanischen IRA-Modell zu orientieren und über Steuererleichterungen günstigere Strompreise zu erreichen: So sollen regenerative Anlagen schneller abgeschrieben werden können, wenn sie einen langfristigen Liefervertrag mit einem oder mehreren Abnehmern schließen. „Dieses Modell hat den Vorteil, dass es nicht auf Branchen und Strommengen beschränkt ist, den Ausbau erneuerbarer Energien anregen kann und zu keinen Marktverzerrungen führt, da Hedging am Terminmarkt weiter notwendig ist. Es bleibt allerdings der Nachteil, dass Strommengen, die nicht über den PPA abgedeckt werden, weiter den Marktpreisen unterliegen.“

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