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Ein kleines Bauernopfer

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Leserbrief zu „Riss durch die Seelsorgeeinheit“ vom 13. Mai

Der Ablauf beim Umgang mit der vermeintlichen Straftat des Priesters zeigt die kaputte, ungesunde Realität zwischen Oben und Unten in einer Kirche, die sich in 2 Jahrtausenden um Lichtjahre entfernt hat von den Prinzipien, die ihr Religionsgründer Jesus ihr vorgelebt und aufgetragen hat. Wenn Jugendliche mit ihrem Pfarrer einen weitgehend freundschaftlichen, guten Kontakt hätten, wäre unter Jüngern Jesu das Normalste, gemeinsam zu ihm zu gehen und ihm offen zurückzumelden, was ihr Problem ist. Dass dies für die jungen Ministranten keine Option war, ist völlig nachvollziehbar, weil ein transparenter, ehrlicher Kommunikationsstil für Laien in der katholischen Kirche nie gedacht oder gar eingeübt war. Auch dies ist eine unmittelbare systemische Folge von hierarchischer Machtstruktur, bei der Menschen von klein auf daran gewöhnt werden, dass in Fragen, Zweifeln, Vergehen, Sünden immer die nächsthöhere Instanz Deutungshoheit besitzt. Hinterhältige Praktiken werden geradezu gefördert, da der Gläubige ja seine Legitimation erst oben abholen muss. Als der Brief der Ministranten in Rottenburg eintraf, hätte es möglich sein müssen, dass der Bischof den Pfarrer anruft und ihm sagt, was ihm vorgeworfen wird. Dann hätte sich der Bischof am runden Tisch von den Ministranten erläutern lassen können, was „intim“ und „unanständig“ war. Aber beim Bischof gibt es offenbar kein Interesse an mündiger Teilhabe, keinen Respekt auf Augenhöhe, nur nackte Arroganz. Ihn schert weder das Urteil der Staatsanwaltschaft, noch hört er die Beteiligten. Da bekommt Tim. 3, 2-4 eine brandaktuelle Note.

Es ist ja auch wesentlich leichter, in Reaktion auf den verheerenden weltweiten Missbrauchsskandal ein kleines Bauernopfer zu bringen, als in Rom dringend auf der Abschaffung von Missbrauch bedingenden und Missbrauch fördernden Strukturen zu bestehen.

Ursula Häußler

Schwäbisch Gmünd

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