1. Startseite
  2. Ostalb
  3. Aalen
  4. Stadt Aalen

Aalens vielseitige Frauen: Bärenbändigerin, Unternehmerin, Politikerin, Frauenbeauftragte

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Bea Wiese

Kommentare

Eine Möglichkeit, festgezurrte Frauenbilder zu durchbrechen, war der Fasching: Mathilde Köpf als Bärenbändigerin bei der Fastnacht 1908.
Eine Möglichkeit, festgezurrte Frauenbilder zu durchbrechen, war der Fasching: Mathilde Köpf als Bärenbändigerin bei der Fastnacht 1908. © Stadtarchiv Aalen

Dr. Georg Wendt hat im Stadtarchiv nach Frauen im 20. Jahrhundert geforscht. Wie Frauen früher und heute auftreten.

Aalen Uta-Maria Steybe, Elisabeth Ohland, Klara Enßlin oder Auguste Kessler – Frauen in Aalen, die sinnbildlich stehen für Epochen der Stadtgeschichte. Wer zielgerichtet im Stadtarchiv nach Frauen des 20. Jahrhunderts sucht, der hat es schwer, sagt Stadtarchivar Dr. Georg Wendt. Nur fragmentarisch sei bisher die Forschung in diesem Bereich. Wendt hat trotzdem viele Frauen öffentlich sichtbar gemacht, in einer unterhaltsamen Collage. Im Rahmen des Programms zum Internationalen Frauentag hat er sie im evangelischen Gemeindehaus vorgestellt.

Frauen als Gattin: Unzählige Archivfotos zeigen laut Wendt Frauen als schmückendes Beiwerk ihrer Männer. Üppige Blumensträuße werden ihnen überreicht, wenn der Oberbürgermeister-Gatte Amtsjubiläum hat (Charlotte Schübel) oder einen runden Geburtstag (Margret Pfeifle). Dabei gab es durchaus eigenständige Protagonistinnen: wie die Unternehmerin Barbara Seydelmann oder Auguste Kessler, die die gleichnamige Maschinenfabrik engagiert in die Nachkriegszeit führte, nachdem ihr Mann einem Hirnschlag erlegen war. 

Frauen fordern Rechte: Ausbrechen aus festgezurrten Rollenbildern? Eine der wenigen Möglichkeiten nach der Jahrhundertwende bot der Fasching. Legendär: Fotos von Mathilde Köpf als Dompteurin bei der Fastnacht 1908 oder von Fanny Schwarz als Rennsport-Jockey 1895. Frauen begannen sich zu organisieren, zunächst über die Konfession, zum Beispiel im Evangelischen Jungfrauenverein oder im Katholischen Frauenbund. Ein besonderes Kapitel: der Erste Weltkrieg. „Männer mussten an die Front. Ihre Rolle wurde vielfach von Frauen übernommen“, hat Wendt recherchiert. Zum Beispiel Granaten herstellen in der Eisengießerei SHW, oder Verwundete pflegen als Schwestern im Lazarett Parkschule. In Versammlungen geht es 1919 um die Einführung des Wahlrechts für Frauen, aber auch um die Frage, ob Frauen tatsächlich ihren Platz räumen sollen für Kriegsheimkehrer. Doch Frauen marschieren auch mit: beim Tag der Arbeit 1933 auf dem Marktplatz in Aalen oder im BDM-Zug 1935 in Unterrombach zur Einweihung des SA-Heims. Wertvolle Quellen für den Stadtarchivar aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs sind Briefe von Klara Klumpp an ihren Sohn Willi an der Ostfront und von Frida Stützel an ihre Tochter Annemarie sowie Tagebucheinträge von Hertha Eitel zum Kriegsende in Aalen.

Frauen – wirklich gleichberechtigt? Als prägende Institution vieler Frauen in Aalen gilt Klara Enßlin. Fast 30 Jahre lang, von 1940 bis 1967, leitet sie die Haushaltsschule. Die erste Frau wird 1948 in den Aalener Gemeinderat gewählt: Maria Bezler (CDU) aus Dewangen. Leider sei wenig über sie im Stadtarchiv zu finden, so Wendt. Mehr dagegen über die zweite Frau im Gemeinderat, ab 1959: Elisabeth Ohland (SPD). Ein echtes Schwergewicht: zehn Jahre im Gemeinderat, Kreistagsmitglied, gesellschaftspolitisch vielfältig tätig, Vorsitzende der SPD in Aalen, und Trägerin des Bundesverdienstkreuzes. Frauen sind nun häufiger politisch engagiert, werden öffentlich dennoch nicht selten wahrgenommen als Randfiguren der Männer: Wie die FDP-Kandidatin Marlies Ebertin beim Besuch von Walter Scheel im Landtagswahlkampfbesuch 1972. Oder Annemarie Engelhardt (CDU) im gleichen Jahr beim Besuch von Helmut Kohl. Frauen werden zunehmend berufstätig, die gesellschaftspolitische Auseinandersetzung prägen auch in Aalen Themen wie Gleichstellung, Mehrfachbelastung durch Berufstätigkeit, Familie und Haushalt, gleicher Lohn für gleiche Arbeit. „Was man einem Mann als sachlich abnimmt, wird der Frau leicht als besserwisserisch ausgelegt. Sie muss ihre Argumente gut durchdenken und ohne Emotion immer wieder modifiziert vorbringen. Sonst werden ihr menschliche Schwächen als typisch ‚weiblich‘ ausgelegt“, konstatiert Aalens Stadtbibliothekarin Waltraud Bender 1974 in einer Denkschrift für berufstätige Frauen. 

Frauen fördern: Institutionalisiert wird das in Aalen 1989 durch die Bestellung der ersten Frauenbeauftragten Gertrud Hahn. Mit der SchwäPo beharkt sie sich öffentlich 1990, als sie eine eigene Frauenseite fordert und beim damaligen Chefredakteur Erwin Hafner auf Granit beißt. Nach Wendts Beobachtung engagieren sich Frauen in den 1990er Jahren wieder vor allem im Sozialen, etwa bei der Integration der Neuankömmlinge aus der Ex-DDR nach der Wende. Im Januar 1993 wird Uta-Maria Steybe neue Frauenbeauftragte. Frauenpolitisch war sie prägend für eine Ära in Aalen. Amtsleiterinnen im Rathaus wie Ingrid Stoll-Haderer, Ortsvorsteherinnen wie Barbara Fuchs in Fachsenfeld oder auch Wirtinnen auf dem Aalbäumle wie Inge Birkhold und Ursula Drescher – „Frauen sind soviel leichter sichtbar geworden“, so Stadtarchivar Dr. Georg Wendt.

Aber Frauen marschierten auch mit: BDM-Zug in Unterrombach bei der Einweihung des SA-Heims 1935
Aber Frauen marschierten auch mit: BDM-Zug in Unterrombach bei der Einweihung des SA-Heims 1935 © Stadtarchiv Aalen
Aalens högschde Wirtinnen; Inge Birkhold (links) und Ursula Drescher 1997
Aalens högschde Wirtinnen; Inge Birkhold (links) und Ursula Drescher 1997 © Stadtarchiv Aalen
Die Aalener Stadtverwaltung wurde weiblicher, auch bei den Amtsleitungen: Ingrid Stoll-Haderer, Leiterin des Stadtplanungsamtes im Jahr 2007
Die Aalener Stadtverwaltung wurde weiblicher, auch bei den Amtsleitungen: Ingrid Stoll-Haderer, Leiterin des Stadtplanungsamtes im Jahr 2007 © Stadtarchiv Aalen
Auf Gertrud Hahn folgte Uta-Maria Steybe als Frauenbeauftragte. 1993 wurde sie ins Amt eingeführt.
Auf Gertrud Hahn folgte Uta-Maria Steybe als Frauenbeauftragte. 1993 wurde sie ins Amt eingeführt. © Stadtarchiv Aalen
Ein Meilenstein: Aalens erste Frauenbeauftragte, Gertrud Hahn, hier bei ihrer Verabschiedung 1993
Ein Meilenstein: Aalens erste Frauenbeauftragte, Gertrud Hahn, hier bei ihrer Verabschiedung 1993 © Stadtarchiv Aalen
v.l. Frau Rölvich-Schule, Frau Ebertin, Herr Burkhardt, Herr Dambacher, Herr Eßwein, Herr Hug, Herr Häußler, Herr Holz
v.l. Frau Rölvich-Schule, Frau Ebertin, Herr Burkhardt, Herr Dambacher, Herr Eßwein, Herr Hug, Herr Häußler, Herr Holz © Stadtarchiv Aalen
26.5.2005: Stadtwerke-Direktor Gerhard Kohn (von links), OB Ulrich Pfeifle und die Ortsvorsteherin von Fachsenfeld, Barbara Fuchs, geben den Startschuss fürs Blockheizkraftwerk
26.5.2005: Stadtwerke-Direktor Gerhard Kohn (von links), OB Ulrich Pfeifle und die Ortsvorsteherin von Fachsenfeld, Barbara Fuchs, geben den Startschuss fürs Blockheizkraftwerk © Stadtarchiv Aalen
Auguste Kessler: Sie führte die Alfing-Werke, nachdem ihr Mann Karl einen Hirnschlag erlitten hatte.
Auguste Kessler: Sie führte die Alfing-Werke, nachdem ihr Mann Karl einen Hirnschlag erlitten hatte. © Stadtarchiv Aalen
Der Katholische Frauenbund Aalen um 1930
Der Katholische Frauenbund Aalen um 1930 © Stadtarchiv Aalen
Der Evangelische Jungfrauenverein Aalen um 1910.
Der Evangelische Jungfrauenverein Aalen um 1910. © Stadtarchiv Aalen
Der Katholische Jungfrauenbund Fachsenfeld 1922.
Der Katholische Jungfrauenbund Fachsenfeld 1922. © Stadtarchiv
Der evangelische Jungfrauenverein Aalen um 1920
Der evangelische Jungfrauenverein Aalen um 1920 © Stadtarchiv
Und Blumen für die Gattin von... - ein Foto von Margret Pfeifle und Ulrich Pfleifle zu dessen 40. Geburtstag.
Und Blumen für die Gattin von... - ein Foto von Margret Pfeifle und Ulrich Pfleifle zu dessen 40. Geburtstag. © Stadtarchiv Aalen
Für die Gattin - hier Charlotte Schübel - gab es Blumen, im Fokus: die Männer.
Für die Gattin - hier Charlotte Schübel - gab es Blumen, im Fokus: die Männer. © Stadtarchiv Aalen

Auch interessant

Kommentare