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Kälte, Krieg und Kohlenklau

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Von: Erwin Hafner

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Waschlappen
Waschlappen © gena96 - stock.adobe.com

Erwin Hafner berichtet über Waschlappen, kalte Wohnungen in schwierigen Zeiten und sagt „Alles schon mal dagewesen“.

Aalen

Vielen gehen sie längst auf den Wecker. Die ihn zum Gespött machenden Lästereien gegen unsern Landesvater. Wegen dessen Waschlappen.

Wir Älteren, zu denen gerade auch noch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) gehört, wuchsen allesamt mit einem Waschlappen auf. Wem stand damals schon ein Bad zur Verfügung? Nur ganz wenigen ... Die meisten aber wuschen sich morgens mit dem Waschlappen. Über dem Spülguss in der Küche.

Ein häusliches Bad gab es bei mir zu Hause nur im Sommer. Da heizte die Mutter in der Waschküche den Kessel an. Und dann wurden meine beiden Brüder, oft auch noch der Nachbarsbub, in der Zinkwanne mit der Wurzelbürste geschrubbt. Weil wir's nötig hatten. Am Schluss gab's noch eine Mordsgaude, wenn die Mutter mit dem Schlauch den Betonboden abspritzte und wir dann pudelnackt auf dem Blanken rutschen durften. Im Winter allerdings gingen wir samstags als Eisenbahnersöhne ins Wannenbad unter dem Güterbahnhof. Erst nach dem Krieg wurden auch in Altbauten Bäder eingerichtet.

Und dann heute die Angst vor kalten Wohnungen. Alles schon dagewesen! Und erlebt!

Im eisigen sogenannten Russlandwinter 1941/42, wo an der Ostfront die nicht für den Winter ausgerüsteten Soldaten zu Tausenden schlimme Erfrierungen erlitten und dafür den sogenannten „Gefrierfleischorden“ erhielten, gab's auch in der Heimat kaum mehr Heizmaterial. Bei uns musste der Küchenherd als einzige Heizstelle herhalten. In der Küche spielte sich notgedrungen das ganze Familienleben ab. Die andern Räume waren eiskalt.

Um überhaupt schlafen zu können, rückte die Mutter wechselweise die kupferne „Bettfläsch“ in den Betten hin und her. Dann kamen wir auf eine Idee: Ich durfte ins Bett meines mittleren Bruders schlupfen (später Flakhelfer, Frontsoldat, 1946 im Gebirge tödlich abgestürzt). So kuschelten wir uns gegenseitig warm.

Oft standen wir am Gaswerk Schlange. Dort konnte ein sackvoll sogenannter Brasch ergattert werden. Das Abfallprodukt bei der Gasgewinnung bestand mehr aus Dreck denn aus Kohle und stank im Küchenherd gewaltig. Abends wickelte die Mutter ein Brikett in eine Zeitung, so dass am nächsten Morgen noch ein bisschen Glut vorhanden war.

In der Stadt hausten viele Leute in kalten Wohnungen. Für sie richtete die Stadt im Untergeschoss des Spritzenhauses eine Wärmestube ein. Wie hier strickten auch zu Hause die Frauen und Mütter Handschuhe und Socken für die Frontsoldaten.

Und in der Schule? Dort konnte gleichfalls nicht mehr geheizt werden. Die Lehrer versuchten es dennoch mit dem Unterricht. Behandschuht schrieben sie noch mit der Kreide an der Tafel. Bis es ihnen zu dumm wurde, weil die Finger schnell klamm waren. „Schluss aus. Geht nach Hause. So ist kein Unterricht mehr möglich“ grantelten sie. Von da ab gab es für Monate eine sogenannte Kohlenvakanz. Zur Freude der ohne an die Konsequenzen denkenden Schüler. Dafür machten sie sich über den „Kohlenklau“ lustig, der auf vielen Plakaten „das deutsche Volk“ zum Sparen ermunterte.

Der „Kohlenklau“ warb zum Sparen in allen Zeitungen und auf vielen Plakaten. Repro: afn
Der „Kohlenklau“ warb zum Sparen in allen Zeitungen und auf vielen Plakaten. Repro: afn © afn

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