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Strom vom Dach: „Aalen hat noch viel Luft nach oben“

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Von: Bea Wiese

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Photovoltaikanlagen auf den Dächern am Rötenberg.
Photovoltaikanlagen auf den Dächern am Rötenberg. © Oliver Giers

Photovoltaikanlagen auf Mietshäusern: Wie Mieterstrom-Modelle funktionieren und was die städtische Wohnungsbau dazu plant.

Aalen. Mieterstrom – ist das ein Thema in Aalen? Eindeutig ja, sagt die Bürgergruppe „Klimaentscheid“. Sie setzt sich mit vielen anderen dafür ein, dass Aalen das selbst gesteckte Ziel der Klimaneutralität bis 2035 erreicht. Strom aus erneuerbaren Energien spielt dabei eine wichtige Rolle. Wo kann er erzeugt werden? „Auf den Dächern von Mietshäusern und Eigentümergemeinschaften in Aalen sehen wir sehr viel Potenzial“, sagt Peter Schäffer von der Gruppe Klimaentscheid.

Auf Einladung dieser Gruppe informierte Michael Schäfer, Geschäftsführer der Wohnungsbau Aalen, was das städtische Tochterunternehmen dazu plant. Die Veranstaltung im Rettungszentrum moderierte Daniela Dorrer.

Mieterstrom: Genutzt wird ausschließlich Solarenergie, erzeugt auf Dächern von Mietshäusern oder Häusern von Eigentümergemeinschaften. Wesentliches Merkmal ist, dass Mieterstrom da verbraucht werden muss, wo er erzeugt wird, „ohne Netzdurchleitung des Stromversorgers“, erläutert Schäffer den rund 50 engagierten Zuhörern. Beim Potenzial sieht die Gruppe in Aalen viel Luft nach oben. Laut Schäffer schöpft Aalen zurzeit etwa 8 Prozent der Dachpotenziale aus mit einer installierten Leistung von 35 Megawatt, „wir könnten aber das Zehnfache heben“.

So funktioniert‘s: Vereinfacht gesagt, schließt der PV-Anlagenbetreiber einen Vertrag mit den Mietern ab über die Lieferung von Strom – dazu gehört der Solarstrom vom Dach und der Zusatzstrom, der zugekauft werden muss. Anlagenbetreiber muss laut Schäffer nicht zwingend der Hausbesitzer, also der Vermieter sein, auch ein externer Dienstleister wie die EnBW oder die Stadtwerke kommen dafür in Frage. Vorteile für Mieter, so Schäffer: Sie bekämen den Strom vom Dach zum vergleichsweise günstigen Preis, der Anlagenbetreiber garantiere die Versorgungssicherheit, auch wenn die Sonne nicht scheint.

Stolpersteine: noch immer hohe bürokratische Hürden, viel Aufwand bei der Abrechnung, „und erst ab einer gewissen Größe ist der Anlagenbetrieb finanziell interessant“, gibt Schäffer zu. Die Bundespolitik stelle Entbürokratisierung in Aussicht, außerdem eine Ausweitung des Mieterstrommodells auf Gewerbeimmobilien.

Pläne der Wohnungsbau: Die Wohnungsbau Aalen, ein städtisches Tochterunternehmen, ist der größte Anbieter von Mietwohnungen in der Stadt. Ihr Bestand: 1246 Wohnungen mit über 105 000 Quadratmeter Wohnfläche in 188 Gebäuden. Geschäftsführer Michael Schäfer sieht „viel Potenzial“ für Photovoltaikanlagen. Würden die Dächer der Wohnungsbau-Gebäude damit ausgestattet, könnte bis zu 85 Prozent des Strombedarfs ihrer Wohnungen aus Solarstrom gedeckt werden. Bisher seien sechs Gebäude mit den Stromlieferanten aus der Sonne bestückt, mit einer installierten Leistung von 77,57 Kilowat.

Umsetzung: Dazu, so Schäfer, brauche die Wohnungsbau „starke Partner“. Ein mögliches Modell: Die Wohnungsbau stellt die Dachfläche kostenlos zur Verfügung, die Ostalb-Bürgerenergie plant und errichtet die Photovoltaikanlage, die Stadtwerke ihrerseits pachtet sie und versorgt das Objekt. Bei allen künftigen Sanierungsvorhaben, so Schäfer, „ist die PV-Anlage selbstverständlich“. Bis zum Jahr 2030, so schätzt die Wohnungsbau, werde sie für die allgemeine Grundsanierung ihrer durchschnittlich 65 Jahre alten Gebäude rund 49 Millionen Euro benötigen. Bei allen zukünftigen Projekten werde das Mieterstrommodell umgesetzt; bis 2030 sollen 530 neue Wohnungen entstehen. Zurzeit installiere die Wohnungsbau Solarstromanlagen im neuen Baugebiet Schlatäcker und in der Schwester-Ingona-Straße in Wasseralfingen.

Was die Zuhörer monieren: PV-Anlagen insgesamt, aber auch einzelne technische Komponenten sind immer noch vergleichsweise teuer und haben lange Lieferzeiten, Firmen mangelt es an Fachkräften, berichten Interessierte im Saal aus leidvoller Erfahrung. Auch Wohnbau-Chef Schäfer ist skeptisch, was das Tempo der Umsetzung in seinem Unternehmen angeht: „Bis zum Jahr 20230 werden wir erst etwa ein Drittel unserer Dächer ausgestattet haben.“

Und wenn die Stadtwerke als Betreiber auftreten – haben die überhaupt die Kapazität dafür?, zweifelt ein Zuhörer. Norbert Saup, Bereichsleiter Infrastruktur der Stadtwerke, gibt an diesem Abend zu: „Im Moment bewegt sich alles relativ schleppend.“ Sein Kollege Olaf Ruppe, Bereichsleiter Markt, ergänzt: „Unsere personellen Kapazitäten sind komplett gebunden in der Umsetzung der bundespolitischen Segnungen, die über uns hereingebrochen sind“, wie beispielsweise die Strom-, Gas- und Wärmepreisbremsen.

Perspektiven: Wie kann man das Thema PV-Anlagen in Aalen vorantreiben? Für den Privatmann, auch für den Einfamilienhausbesitzer fehle es an Ansprechpartnern, wurde moniert. Walter Haveman, ehemals für die Grünen im Kreistag, schlug vor: schnellstmöglich einen Runden Tisch einberufen, hochkarätig besetzt mit Vertretern von Wohnungsbau, Stadtwerken, Ostalb-Bürgerenergie, Stadtverwaltung, Handwerkerschaft und Kreditinstituten. Peter Schäffer findet: „Wir müssen mehr tun, um die Lokalpolitik ins Spiel zu kriegen. Am Ende des Tages ist es aber wohl die Frage: Wie finanzieren wir das Ganze und wie kriegen wir es umgesetzt?“

Gut zu wissen: Die Gruppe Klimaentscheid

Die Gruppe Klimaentscheid: In der Regel an jedem zweiten Dienstag im Monat organisiert sie einen für alle Interessierten offenen „Runden Tisch PV“ im „Utopiaa“, An der Stadtkirche 18. Vorträge sind geplant zu diesen Themen: 18. April, 18 Uhr: „Wärmepumpen“ (im Utopiaa). 11. Mai, 19 Uhr, „Flächenverbrauch in Aalen (Torhaus). 5. Juni, 18 Uhr: Energiewende in Aalen (Rettungszentrum). Info: https://klimaentscheid-aalen.de/ ⋌bea

Photovoltaikanlage.
Photovoltaikanlage. © Oliver Giers
Photovoltaikanlagen auf den Dächern am Rötenberg.
Photovoltaikanlagen auf den Dächern am Rötenberg. © Oliver Giers

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