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Fraktionen sprechen darüber, wie bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden kann.
Aalen. Kreisweites Schlusslicht ist Aalen, was den Immobilienmarkt angeht. Das hat der Ostalbcheck dieser Zeitung ergeben. Aalenerinnen und Aalener bewerten in der Umfrage den Markt auf einer Skala von 1 bis 10 mit 4,1: So schlecht wie in keiner anderen Stadt im Ostalbkreis. Wegen hoher Preise ist das Eigenheim für viele nicht erschwinglich. Auch wird die Forderung nach günstigeren Mieten laut. Doch die gestiegenen Baupreise treffen auch Bauträger, die neue Mietwohnungen bauen, wie die städtische Wohnungsbau.
Alle neun Fraktionen und Gruppen im Aalener Gemeinderat antworten im zweiten Teil der kommunalpolitischen Sommerserie auf die Frage: Bauen ist so teuer wie nie. Wie und wo kann in Aalen da noch bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden?
Michael Fleischer (Grüne)
Bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, ist eine herausragende soziale Verpflichtung für uns. Hierzu wollen wir viele Maßnahmen kombinieren: Vermieter, die Leerstände haben und nicht vermieten wollen, müssen von der Stadt wieder dazu ermutigt und begleitet werden. Das Baurecht muss verdichtete stark begrünte Bebauungen ermöglichen. Aufstockungen auf Bestandsimmobilien schaffen einfach und schnell zusätzlichen Wohnraum. Bei Neubauten müssen wir Anreize setzen, dass Investoren günstig und nachhaltig bauen wollen, zum Beispiel mit Nahwärmenetzen, die die Abwärme unserer Industrie verwerten. In Bestandsgebieten wollen wir attraktive Wohnungen für ältere Menschen schaffen und dadurch Häuser für Familien freimachen. Und die städtische Wohnungsbaugesellschaft muss schnell mehr Sozialwohnungen bereitstellen.
Thomas Wagenblast (CDU)
Der Ostalbcheck zeigt klar: Aalen ist attraktiv und viele Menschen wollen hier wohnen. Der Markt ist deshalb angespannt und Aalen trägt beim Wohnen die rote Laterne im Landkreis. Deshalb sagt die CDU: Wir brauchen Innen- und Außenentwicklung: Unser Innenentwicklungsprogramm wurde mit dem Kinderbonus von 5000 Euro pro Kind gestärkt. Die CDU hat eine Erstberatung für Bauherren und Eigentümer erfolgreich beantragt, um gute Ideen für eine bessere Nutzung bestehender Immobilien zu geben. Wir brauchen auch neues Bauland, gerade in den Teilorten: Familien sollen in Aalen Heimat finden und nicht in Umlandgemeinden ziehen müssen. Das wird für die CDU ein Schwerpunkt bei der Fortschreibung des Flächennutzungsplans. Wichtig ist auch, dass die Wohnungsbau Aalen noch mehr für gefördertem Wohnraum tut.
Hermann Schludi (SPD)
Zum bestehenden Aalener Modell muss die städtische Förderung des Sozialmietwohnungsbaus im Hinblick auf höhere Quoten – auch für Privatinvestoren – weiterentwickelt werden. Zu Neubauinvestitionen, die nur sehr langfristig und kostenintensiv zu leisten sind, muss als ergänzender Faktor zur Wohnraumversorgung die Sanierung, der Umbau oder die Aufstockung von vorhandenen Wohnobjekten eruiert und gefördert werden. Bei der weiterhin großen Nachfrage muss auch ein Förderprogramm für Leerstands- oder Bestandswohnungsakquise entwickelt werden, das auch private Anbieter zur Vermietung motiviert. Belegungsvereinbarungen, Sanierungszuschüsse, Mietausfallgarantien und organisatorische Begleitung durch städtische Institutionen sind geeignete Maßnahmen, um zusätzlichen Wohnungsbestand zu akquirieren.
Thomas Rühl (Freie Wähler)
Man könnte das Bauen erleichtern und schneller und kostengünstiger machen, indem man Vorgaben und Vorschriften abbaut (zum Beispiel beim Brandschutz etc.) und entbürokratisiert. Eine Möglichkeit wären mehr Mehrfamilienhäuser und höhere Geschosszahlen. Dem steht allerdings der Wunsch nach Individualität und Ästhetik gegenüber. Die stadteigene Wohnungsbau Aalen hat vor kurzem die Quote für geförderten Wohnraum auf 35 Prozent erhöht. Es werden bereits wieder Stimmen laut, die eine Quote von 50 Prozent wünschen.
Dr. Frank Gläser (AfD)
Die Zinsen für Baukredite steigen, die Lebenshaltungskosten explodieren. Das Land geht planlos in die Energiemangelwirtschaft mit dem Erfolg einer Rezession. Dazu kommt ein unbegrenzter Zuzug nach Deutschland. Lokal entwickeln wir ideologisch begründete Baustandards, die das Bauen weiter verteuern, sich weder finanziell noch aus der Sicht der CO2-Bilanz rechnen und über die Wärmepumpen den Stromverbrauch erhöhen. Wir müssen zu einer vernünftigen ideologiefreien Abwägung von Ökologie und Ökonomie zurückfinden und mit den verbleibenden Mitteln sanieren und neu bauen. Ziel müssen noch kaufbarer Wohnraum und bezahlbare Mieten sein.
Inge Birkhold (Zählgemeinschaft Birkhold/Traub)
Passgenaue Wohnangebote für alle zu schaffen, ist eine unserer dringlichsten Aufgaben. Mit kommunaler Bodenvorratspolitik kann gemeinwohlorientiert und preisdämpfend in den Immobilienmarkt eingegriffen werden. Innenentwicklung, der Umbau und die Arrondierung von Siedlungsbestand, die Aktivierung von Brachflächen, Baulücken und Leerständen sowie verantwortungsbewusster Ausweis neuer Bauflächen sind dringend erforderlich. Fördermittel müssen vermehrt in die Modernisierung von Bestandsgebäuden gelenkt werden. Betriebswohnungen, „Siedler-Häuser“- zum Selbst-Ausbau, modulare, serielle Bauweise mit einheitlichen Grundrissen und niedrigeren Standards oder auch Tiny-Häuser können Teil der Lösung sein. Und städtisch geförderter Mietkauf kann einkommensschwachen Familien zu Wohneigentum verhelfen.
Roland Hamm (Die Linke)
Seit 2017 stellen wir Anträge im Rat zur Stärkung einer sozial bezahlbaren Wohnbaupolitik. Unsere Vorschläge: Mit einer konsequenten Aalener Bauland-/Bodenpolitik kann Spekulation begrenzt und Bauen günstiger werden. Vorhandene Förderprogramme sollen weiter ausgebaut, um z. B. Familien mit Kindern beim Kauf von Wohneigentum zu unterstützen. Eine Erhöhung der Sozialquote auf 30 Prozent für neue Baugebiete und Bauprojekte nach dem Aalener Modell. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft soll darüber hinaus eine Erhöhung der Quote auf bis zu 50 Prozent für Einzelprojekte umsetzen. Der Anteil barrierefreier, altersgerechter Wohnungen muss erhöht werden. Wir fordern eine kommunale „Initiative Werkswohnungsbau“. Wir begrüßen die Aalener Wohnraumakquise, um Leerstände in Wohnungen für Mieter zu wandeln.
Arian Kriesch (FDP/Freie Wähler)
Aalen hat die Chance, in den nächsten Jahren auf über 70 000 Einwohner zu wachsen. Große Unternehmen und viele Mittelständler planen mit mehreren Tausend zusätzlichen Arbeitsplätzen. Sie wirken bereits heute als Magnet für Fachkräfte und deren Familien. Aalen muss die Chance nutzen und attraktiven, bezahlbaren Wohnraum schaffen, damit die Kaufkraft in die Stadt und nicht nur ins Umland zieht. In der Innenstadt sollte weiter nachverdichtet werden. Für neue Baugebiete müssen wir auch den Bau bezahlbarer, nicht überregulierter Häuser ermöglichen. Dazu darf Baugrund nicht zu teuer sein. In jedem Fall ist zukunftssichere Infrastruktur wichtig: ÖPNV, Breitband-Internet, PV-Anlagen und Hausanschlüsse, ausgelegt für E-Mobilität. Wir Liberale erwarten einen Mobilitätswandel, aber zuerst muss die Infrastruktur stehen.
Norbert Rehm (Aktive Bürger)
Die Wohnungsoffensive Rentschlers ist gescheitert, bei der sozialen Wohnraumversorgung hat die Wohnungsbau versagt. Jetzt ist eine Neuorientierung notwendig: ein Umschwenken auf die Förderung von Eigentumswohnungen. Wohnungen sollten zum Selbstkostenpreis an junge Familien und Alleinerziehende verkauft oder vermietet werden: Der Bau wird auf städtischem Grund ausgeschrieben, an Bauträger mit dem günstigsten Festpreis vergeben, die Wohnungsbau verwaltet die Wohnungen. Bei Neubauten mit enormer Förderung ist die Bestandsaufnahme nötig, zum Beispiel beim Quartier am Stadtgarten, am Rötenberg, auf dem Stadtoval. Das Thema muss öffentlich verhandelt und darf nicht in geheim tagenden Aufsichtsräten vermauschelt werden. Künftig müssen wir außerdem mehr und kleinere Bauplätze zur Verfügung stellen.