1. Startseite
  2. Ostalb
  3. Ellwangen

Ein neues "Bündnis für eine starke Ellwanger Klinik"

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Alexandra Rimkus

Kommentare

Sie haben das Bündnis für eine starke Ellwanger Klinik ins Leben gerufen, von links: Michael Hinderer (Vorstand der St. Anna Stiftung), Rudolf Kitzberger (Grüne), Matthias Weber (Fördervereinsvorsitzender) Generaloberin Judith Benz, Joachim Zorn (SPD), Berthold Vaas, (Fördervereinsbeirat), Gunter Frick (Freie) und Rudolf Wiedmann (CDU).
Sie haben das Bündnis für eine starke Ellwanger Klinik ins Leben gerufen, von links: Michael Hinderer (Vorstand der St. Anna Stiftung), Rudolf Kitzberger (Grüne), Matthias Weber (Fördervereinsvorsitzender) Generaloberin Judith Benz, Joachim Zorn (SPD), Berthold Vaas, (Fördervereinsbeirat), Gunter Frick (Freie) und Rudolf Wiedmann (CDU). Foto: rim © rim

Initiatoren sind die Fraktionen des Gemeinderats, der Klinik-Förderkreis und die Anna-Schwestern.

Ellwangen. In Ellwangen hat sich das „Bündnis für eine starke Ellwanger Klinik“ gegründet. Darüber wurde am Donnerstag bei einem kurzen Pressegespräch vor der Klinik informiert.

Die Initiatoren des Bündnisses sind die vier Fraktionen des Ellwanger Gemeinderats gemeinsam  mit dem Freundes- und Förderkreis der Sankt-Anna-Virngrund-Klinik sowie den Anna-Schwestern.  Zu ihrer Motivation und ihren Zielen haben die Bündnispartner eine längere schriftliche Erklärung herausgegeben.

Darin verlangt das Bündnis für die Ellwanger Klinik die folgende Mindestausstattung: eine hochwertige 24/7-Notfallversorgung, stationäre Behandlungen als Grundversorger für die Bereiche Chirurgie und Inneres, die Durchführung von Operationen inklusive einer intensivmedizinischen Behandlungsmöglichkeit sowie den Erhalt der Abteilungen „Kinder- und Jugendpsychiatrie“.

In der Klassifizierung der Regierungskommission von Karl Lauterbach hieße das, es wird für eine Ellwanger Klinik mit einem Level I n Status gekämpft.

Bei dem Pressegespräch vor Ort betonten die Bündnispartner unisono, dass die Landkreisverwaltung einen medizinischen Versorgungsauftrag für den gesamten Ostalbkreis innehabe. Rudolf Wiedmann (CDU) mahnte in diesem Zusammenhang eindringlich, dass die medizinische Versorgung auch im nordöstlichen Kreisgebiet weiterhin gesichert bleiben müsse. Und das gehe nur mit einer „stark aufgestellten Sankt-Anna-Virngrund-Klinik“. Dem schloss sich Rudolf Kitzberger (Grüne) an. Würde das Versorgungsangebot und die Personaldecke an der Virngrundklinik massiv eingedampft, würde man 20 Prozent der Landkreisbevölkerung von einer adäquaten medizinischen Versorgung abschneiden, so Kitzberger, der vor „enormen Kollateralschäden“ warnte, die eine solche Entscheidung nach sich ziehen würden, etwa im Bezug auf die fach- und hausärztliche Versorgung im Raum Ellwangen.

Gunter Frick (Freie Wähler) forderte die Entscheidungsträger, allen voran Landrat Joachim Bläse auf, ihre Position zu überdenken. Und Joachim Zorn (SPD) verwies auf das Gutachten, dass die 2d-Variante und damit den Erhalt eines gut aufgestellten Klinikstandorts in Ellwangen ausdrücklich empfiehlt. „Das man das jetzt einfach so vom Tisch wischt und eine ganz andere Marschrichtung einschlägt, ist nicht zu verstehen.“

Getragen wird das neue Klinikbündnis auch von den Anna-Schwestern, deren Geburtsklinik 2007 mit der Virngrundklinik fusioniert hatte. Generaloberin Schwester Judith Benz formulierte es diplomatisch. Man wolle „in der Not der Zeit eine gute Antwort“ für die Menschen finden. Auch der Förderverein der Ellwanger Klinik mit seinen über 1500 Mitgliedern ist beim Bündnis mit im Boot. Berthold Vaas, Fördervereinsbeirat und früherer Betriebsdirektor der Ellwanger Klinik, kündigte an, dass man die Menschen, insbesondere in den umliegenden Gemeinden darüber aufklären möchte, was eine Neustrukturierung - je nach gewählter Variante - für ihre medizinische Versorgung konkret bedeuten wird.

Abschließend wurde mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass sich jeder Interessierte dem Bündnis anschließen kann.

Die Erklärung des Bündnisses im Wortlaut:

Bündnis für eine starke Ellwanger St. Anna-Virngrund-Klinik auch in Zukunft!

1. Gründung des Bündnisses

Die 4 Fraktionen gründen aus der Mitte des Ellwanger Gemeinderates heraus ein Bündnis für den Erhalt der Ellwanger St. Anna-Virngrund-Klinik gemeinsam mit den Anna-Schwestern und dem Freundes- und Förderkreis St. Anna-Virngrund-Klinik e.V..

Die Partner zeigen damit, dass sie geschlossen hinter der Ellwanger Klinik stehen und auch künftig für sie eine wichtige Rolle in der medizinischen Versorgung unserer Raumschaft sehen.

Dem Bündnis können sich alle Interessierte anschließen.

2. Inhalt des Bündnisses

Das Bündnis setzt sich für die Ellwanger St. Anna-Virngrund-Klinik mit folgender Mindestausstattung ein:

- Für eine hochwertige 24/7 Notfallversorgung.

- Für stationäre Behandlungen als Grundversorger für die Bereiche Chirurgie und Inneres.

- Für die Durchführung von Operationen inklusive einer intensivmedizinischen Behandlungsmöglichkeit.

- Für den Erhalt der Abteilungen „Kinder- und Jugendpsychiatrie“.

In der Klassifizierung der Regierungskommission von Karl Lauterbach heißt das, wir kämpfen für eine Klinik mit einem Level I n Status.

Unsere Gründe:

Der Landkreis hat einen medizinischen Versorgungsauftrag für das gesamte Landkreisgebiet. Damit die medizinische Versorgung auch künftig im nordöstlichen Kreisgebiet gesichert ist, muss die St. Anna-Virngrund-Klinik erhalten bleiben.

Der Ostalbkreis ist der drittgrößte Flächenkreis und der zehntgrößte Kreis nach den Einwohnerzahlen (315.000 Einwohner). Diese enorme Fläche und die große Einwohnerzahl müssen im Konzept des Landkreises berücksichtigt werden. Als politisch Verantwortliche müssen wir die Versorgung in der Fläche sichern.

Die St. Anna-Virngrund-Klinik Ellwangen ist die modernste Klinik im Ostalbkreis. Die Klinik wurde 2012 nach Investitionen von über 110 Millionen Euro als kompletter Neubau aufgestellt. Sie hat sich für die medizinische Notfall- und Basisversorgung in Ellwangen und in der östlichen Raumschaft des Ostalbkreises hervorragend bewährt. Sie hat beste Strukturen und modernste Arbeitsabläufe, die nicht mutwillig zerstört werden dürfen. Unter den drei Kliniken im Kreis hat sie mit Abstand den geringsten Investitionsbedarf und sie hatte in der Vergangenheit immer das beste wirtschaftliche Ergebnis.

Die OP-Krise in Aalen hat gezeigt, dass es ein großer Vorteil ist, ein weiteres Haus mit funktionierenden Strukturen zu haben. Ellwangen hat OP-Säle in Top-Zustand. Wir sollten uns Flexibilität erhalten, damit wir auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren können. Die hervorragenden, funktionierende Krankenhausstrukturen in Ellwangen müssen im zukünftigen Konzept genutzt werden.

Sachverständige Gutachter, Lenkungsausschuss und Personalrat haben im Hinblick auf eine künftige, zukunftsweisende Krankenhauslandschaft im Ostalbkreis der Ellwanger Klinik eine wichtige Funktion als Grundversorger zugewiesen. Im Entscheidungsprozess müssen sich die Sachargumente durchsetzen und nicht lokalpolitische Interessen!

Eine Grundversorgung im Bereich Chirurgie und Inneres dient einer guten medizinischen Versorgung der nordöstlichen Raumschaft für Routineeingriffe und auch der Entlastung eines zentral gelegenen Regionalversorgers. Es gilt dabei auch zu berücksichtigen, dass Ellwangen das größte, zusammenhängende Gewerbegebiet in Ostwürttemberg hat (5150 Arbeitsplätze, Stand 2019), welches auch künftig wächst. Für dort entstehende Arbeitsunfälle sowie für Unfälle auf der nahen A7 mit möglichen Großschadensereignissen (z.B. Busunfall) mit mehreren Verletzten braucht es ebenfalls Kapazitäten für eine gute medizinische Versorgung.

Es gibt zeitkritische Notfälle wie beispielsweise extremer Bluthochdruck, multiple Frakturen oder offene und stark blutende Wunden beispielsweise bei Verkehrs- oder Arbeitsunfällen bei denen jede Minute zählt. Mit einer 24/7 Notfallversorgung in Ellwangen sichern wir kurze Wege für Notfälle auch für den nordöstlichen Landkreis rund um die Uhr.

Ein Regionalversorger im Zentrum des Landkreises kann nicht die Notfallversorgung in der Nacht von 315.000 Einwohner stemmen. Das kann keine gute medizinische Versorgung sein. Es braucht eine Entlastung durch eine weitere Klinik als Grundversorger, die die weniger kritischen, normalen Notfälle abnimmt. Hinzukommt, dass Termine bei Fachärzten und Allgemeinärzten immer schwieriger zu bekommen sind. Dieses Problem verschärft sich in den kommenden Jahren. Notaufnahmen und Rettungsdienste werden immer häufiger gerufen.

Auch im Rettungsdienst herrscht Fachkräftemangel. Längere Wege für die Rettungsdienste binden zusätzliches Personal, das nicht vorhanden ist.

Derzeit wird die Pflegeschule für 15 Mio. Euro ausgebaut. Eine zentrale Aus- und Weiterbildung in den Pflegefachbereichen - wie sie in der Gesundheitsakademie vorgesehen ist - macht aber nur Sinn, wenn auch weiterhin in Ellwangen Akutpflegestationen vorgesehen sind. Die vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Ausbildungs-Pflichteinsätze können sonst für Auszubildende der vielen Kooperationspartner (Berufsfachschule für Gesundheit und Soziales, Pflegeheime) nicht mehr angeboten werden. Ebenso würde die Klinik in Ellwangen als Träger der Ausbildung wegfallen und könnte somit am Standort keine Auszubildenden mehr anstellen.

Mit einer Herabstufung der Ellwanger Klinik zu einem reinen ambulanten Versorgungszentrum wäre auch die Grundlage für eine gute Versorgung mit Fachärzten in Ellwangen und Umgebung in Gefahr. Zur verschlechterten stationären ärztlichen Versorgung käme eine Verschlechterung in der Haus- und fachärztlichen Versorgung hinzu. Der Wegfall der Intensivstation würde dazu führen, dass viele Eingriffe von Fachärzten am Ellwanger Krankenhaus schon aus haftungsrechtlichen Überlegungen nicht mehr durchgeführt werden könnten. Fachärzte würden Ellwangen verlassen und ihren Praxisbetrieb an Orte verlagern, wo eine operative Versorgung vollumfänglich möglich gemacht wird. Das Versorgungsgefälle von West nach Ost würde sich weiter verschlechtern.

Mit einer Level 1n Klinik können im ärztlichen Bereich auch weiterhin so genannte Weiterbildungsassistenten gewonnen werden. Erfahrungsgemäß knüpft man aus diesen Kliniken heraus über Praxisvertretungen den ersten Kontakt zu ärztlichen Praxen und wagt den ersten Schritt in eine Niederlassung. In einer Level 1 i Klinik ist derzeit keine ärztliche Weiterbildung möglich.

Der Personalrat hat ein Plädoyer für das Ellwanger Krankenhaus abgegeben und sich ganz eindeutig für den Erhalt von Ellwangen ausgesprochen. Ellwangen sei hochmodern, funktional und habe die besten Arbeitsbedingungen. Diese Bewertung kommt von den Menschen, die tagtäglich in den bestehenden Strukturen arbeiten. Dieses Votum kann man nicht ernsthaft übergehen.

Viele Pflegekräfte und medizinisches Personal haben ihren Lebensmittelpunkt im östlichen Virngrund und im bayrischen Umland. Es ist nicht anzunehmen, dass diese Fachkräfte dem Unternehmen für einen anderen Standort erhalten bleiben.

Die Kinder- und Jugendpsychiatrie ist als Abteilung medizinisch wie auch raumschaftlich ideal in Ellwangen angesiedelt (auch wegen Distanzen zu niedergelassenen KJ-Psychiatriepraxen). Zudem macht es keinen Sinn eine Abteilung neu zu bauen, wenn diese in Ellwangen schon vorhanden ist.

Damit das Ellwanger Krankenhaus auch in Zukunft eine tragfähige wirtschaftliche Grundlage hat, müssen ergänzende Leistungen in Ellwangen angeboten werden. Sie sind notwendig, um die Infrastrukturkosten (Technik, Hygiene, Labor, Röntgen) besser zu finanzieren. Wir haben die große Sorge, dass es sonst in einem zweiten Schritt heißt, die Kosten in Ellwangen sind zu hoch, das ist alles zu teuer, die Ellwanger Klinik muss ganz geschlossen werden.

Eine Herabstufung der Klinik zu einem Haus mit nur noch integrierter ambulant-stationären Versorgung (Level I i) lehnen wir kategorisch ab. Die Umsetzung dieses Modells hätte für die St. Anna-Virngrund-Klinik folgende Konsequenzen:

- keine Notfallversorgung

- Rettungsdienste dürfen nach dem jetzigen Stand ein Level I i Haus nicht anfahren.

- keine ärztliche Präsenz rund um die Uhr, allenfalls Rufbereitschaft (der Arzt muss innerhalb von 30 Minuten in der Klinik sein).

- keine operativen Eingriffe (allenfalls durch Belegärzte), Patientinnen und Patienten müssten an andere Kliniken überwiesen werden.

- Wegfall der stationären Betreuung

- keine Intensivplätze für akut schwerkranke Patienten.

- Notfallsanitäter-Ausbildung am Standort Ellwangen fällt weg.

- Ohne Klinik keine Pflege- und Fachkraftausbildung an der Gesundheitsakademie

- Eine Herabstufung hätte unmittelbare Auswirkung auf die niedergelassenen Fachärzte. Ohne eine direkte Zuweisungsmöglichkeit und ohne die Gewährleistung einer qualifizierten stationären Versorgung wird die Gewinnung von Ärzten noch schwerer.

Lesen Sie dazu:

Kliniken: Die Versorgung im Notfall ist das große Thema

Was wird aus der Virngrundklinik

Auch interessant

Kommentare