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Prozess: Ein Einbruch aus Rache

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Von: Alexandra Rimkus

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Vor dem Amtsgericht Ellwangen musste sich am Montag ein 20-Jähriger verantworten. Der junge Mann war im August dieses Jahres bei einem Bekannten in die Wohnung eingebrochen.
Vor dem Amtsgericht Ellwangen musste sich am Montag ein 20-Jähriger verantworten. Der junge Mann war im August dieses Jahres bei einem Bekannten in die Wohnung eingebrochen. © Rimkus, Alexandra

Vor dem Amtsgericht Ellwangen musste sich jetzt ein 20-jähriger Wiederholungstäter verantworten.

Ellwangen. Vor dem Amtsgericht Ellwangen musste sich am Montag ein 20-Jähriger verantworten. Der junge Mann war im August dieses Jahres bei einem Bekannten in die Wohnung eingebrochen. Weniger um etwas zu stehlen, sondern vielmehr aus Rache. 

Die Tat hatte sich in Crailsheim ereignet. Sie wurde vom Angeklagten in der Verhandlung ohne Wenn und Aber eingeräumt. Er sei in die Wohnung eingebrochen, habe eine Playstation und zwei Softairwaffen in eine Tasche gepackt, wurde von seinem Bekannten dabei auf frischer Tat ertappt und sei daraufhin geflüchtet. Allerdings nur, um wenig später wieder zum Tatort zurückzukehren und sich der Polizei zu stellen. Ein Verhalten, dass der 20-Jährige im Prozess kurz und prägnant erklärte: "Ich fand halt scheiße, was ich da gemacht hatte."

Weiter ließ der Angeklagte das Gericht wissen, dass er sich mit dieser Aktion an seinem Bekannten - ehemals ein guter Kumpel von ihm - rächen wollte. Mit dem 21-Jährigen habe er sich kurz zuvor bei einer Party in die Haare bekommen. Der Streit sei in einer handfesten Schlägerei gemündet.  Mit reichlich Wodka im Blut sei ihm dann auf dem Heimweg der Gedanke gekommen, in die Wohnung einzubrechen. "Es war eine Schnapsidee", kommentierte die Verteidigerin des Angeklagten - übrigens keine geringere als die bekannte Heilbronner Anwältin Anke Stiefel-Bechdolf, die im Prozess immer wieder auf die schwierigen Familienverhältnisse ihres Mandanten hinwies.

Und das durchaus mit gutem Grund. Denn: Der junge Mann stand zum Zeitpunkt des Wohnungseinbruchs noch unter Bewährung. Im November 2020 hatte man ihn wegen einer  Vielzahl von Delikten, darunter neben diversen Einbrüchen auch Körperverletzungen, Bedrohungen und Drogenbesitz, zu einer zweijährigen Jugendstrafe ohne Bewährung verurteilt. Wogegen der Jugendliche damals mit Erfolg Berufung eingelegt hatte. Das Landgericht Ellwangen kassierte das Urteil aus erster Instanz und setzte die Strafe zur Bewährung aus. Nun traf man sich wieder vor Gericht.

Erneut stand dabei die schwierige Biografie des 20-Jährigen im Mittelpunkt, der schon als Kind schwerste Gewalt in der Familie miterleben  musste. Der Tiefpunkt war erreicht, als seine Mutter ihren gewalttätigen Lebensgefährten mit einem Messer tödlich verletzte und dafür ins Gefängnis wanderte. Schon sehr früh musste der Junge deshalb in verschiedenen Betreuungseinrichtungen und Pflegefamilien untergebracht werden. Schulisch lief es für ihn in dieser Zeit miserabel. Bereits die erste Klasse musste er wiederholen, später reichte es nur für die Förderschule - und das auch nur knapp. Ab der 6. Klasse galt er als nicht mehr beschulbar.  Einziger Lichtblick in der traurigen Vita des Angeklagten ist eine mehrjährige Teilnahme an einer pädagogischen Maßnahme in Griechenland. Hier holte der heute 20-Jährige, bei dem erst spät das Asperger-Syndrom diagnostiziert worden ist, seinen Hauptschulabschluss nach und  fühlte sich nach eigenen Angaben "zum ersten Mal glücklich", bis er 2019 wieder nach Deutschland zurückkehren musste - zur Beerdigung seines leiblichen Vaters.

Danach war der junge Mann wieder im alten Milieu unterwegs und die Probleme waren zurück. Er trank zuviel, nahm Drogen und wurde schließlich zum Intensivstraftäter. Danach ging's für ihn in die Haftanstalt nach Stammheim, was den Angeklagten ganz offenkundig beeindruckt hat. Er wolle sein Leben jetzt endlich in den Griff bekommen, eine Ausbildung machen und mit seiner Freundin zusammenziehen, erklärte er mit Nachdruck dem Gericht: "Ich will einfach leben, wie ein ganz normaler Mensch."

Am Ende des Prozesses waren sich Richter, Staatsanwalt, Verteidigung und Jugendgerichtshilfe einig, dass bei der jetzt begangenen Tat nochmals Jugendstrafrecht zur Anwendung kommen muss und eine stationäre Suchttherapie unerlässlich ist, um dem 20-Jährigen eine Perspektive zu geben. "Bei diesen schwierigen Lebensumständen ist es  nicht verwunderlich, dass etwas passiert ist. Es ist eher verwunderlich, dass nicht noch viel mehr passiert ist", meinte Oberstaatsanwalt Dirk Schulte und plädierte - unter Einbeziehung der bestehenden Vorstrafe - für eine Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten.  Richter Michael Schwaiger blieb in seinem Urteil knapp unter dieser Forderung und verhängte eine Jugendstrafe von zwei Jahren und vier Monaten. In diesem Zuge mahnte Schwaiger den Angeklagten, die stationäre Therapie anzutreten - auch um seine eigene Biografie endlich aufzuarbeiten. "Ansonsten dreht sich die Spirale nach unten immer schneller und es wird eine Haft nach der anderen folgen."

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