Aufbruch ins Ungewisse

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Ralf Manherz steht vor einem mit Hilfsgütern voll beladenen Kleinbus. Der gebürtige Hohenberger zögerte keine Sekunde, um seinem Kollegen und Freund dabei zu helfen, dessen Verwandte aus der Ukraine in Sicherheit zu holen.
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Wie sich binnen weniger als 24 Stunden ein kleiner privater Hilfskonvoi organisierte und auf den Weg zur Ukraine machte, um Verwandte in Sicherheit zu bringen.

Ellwangen.

Die Nachricht kam überraschend mitten in der Nacht aufs Telefon: „Ein guter Freund von uns fährt mit seinem ukrainischen Arbeitskollegen morgen Abend los, um dessen Familien aus der Ukraine zu holen.“ Es folgte eine Liste an Dingen, die für die Hin- und Rückfahrt benötigt werden. Wasser, Decken, haltbare Lebensmittel. Aber auch Hygieneartikel, Medikamente, Babynahrung.

Der Plan: Mit Hilfsgütern voll beladen zur ukrainischen Grenze und mit den Verwandten zurück, und die restlichen Plätze für weitere Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen. Die Hohenberger Familie Harti, die den Aufruf über soziale Medien an Freunde und Bekannte teilte, stellte ihre Garage als Sammelpunkt für die Hilfsgüter zur Verfügung.

Und die Hilfe kam. Den ganzen Tag über, aus Hohenberg, Rosenberg, aus Ellwangen. „Sogar Menschen, die ich vorher nicht kannte, drückten uns Decken, Nahrung und Geld in die Hand“, berichtete Petra Harti. Denn die Nachricht wurde geteilt, und viele wollten helfen. Bis zum Abend kam genug zusammen, um die Garage der Hartis gut zu füllen.

Und letztlich die drei Kleinbusse, mit denen die Freunde in die Ukraine fahren wollten. Denn auch auf deren Seite hatte sich im Laufe des Tages einiges getan und verselbständigt.

„Als mich mein ukrainischer Kollege gestern fragte, ob ich mitfahre und ihm helfe, seine Familien aus der Ukraine raus zu holen, habe ich sofort zugesagt“, sagt der in Ellwangen lebende Ralf Manherz. Auch am Arbeitsplatz, der SHW Storage and Handling Solutions in Hüttlingen, sprach es sich schnell herum, was die beiden vorhatten.

Das erstaunliche: „Kurz darauf kam die Geschäftsleitung auf uns zu. Sie haben uns das Ok für unser Vorhaben gegeben. Wir bekamen obendrein drei Kleinbusse gestellt, inklusive Sprit. Gesponsert von der SHW, einfach so.“ Die werden auch gebraucht, denn es handelt sich um zwei Familien, mit fünf Erwachsenen und zwei Kindern, die der ukrainische Kollege in Sicherheit bringen möchte. 21 Sitzplätze stehen zur Verfügung, abzüglich der Fahrer.

Weitere Arbeitskollegen und Freunde schlossen sich spontan an. „Wir sind nun sechs Fahrer, zwei auf jedem Kleinbus“, erklärt Manherz. Damit wollen sie die gut 1200 Kilometer an die ukrainische Grenze zurücklegen. Rüber geht es nicht. Statt dessen wollen sie auf der anderen Seite der Grenze warten.

„Die Familien stammen aus Charkiw, was stark umkämpft ist“, erklärt Manherz. „Sie sind getrennt seit Tagen unterwegs. Eine Familie ist schon recht nahe an der Grenze. Bei der anderen wissen wir es nicht.“ Flüchten geht nur tagsüber, denn nachts herrscht Ausgangssperre. Informationen kommen aber nur spärlich, es gibt nicht überall Empfang oder Strom.

Der ukrainische Kollege versucht, den Kontakt zu den Familien zu halten. Wer am Ende alles mitkommt? „Das wissen wir nicht.“ Wo sie sich treffen wollen? „Unklar. Wir fahren jetzt erst mal nach Ungarn Richtung ukrainische Grenze. Von da aus sehen wir weiter, je nachdem, wo es die Familien über die Grenze schaffen“, so Manherz. Rumänien, die Slowakei oder auch Polen sind mögliche Treffpunkte.

Wo die Flüchtlinge unterkommen können? „Auch das ist nicht sicher, wir hoffen auf die LEA in Ellwangen“, so Manherz. „Das versuchen wir dann auf der Rückfahrt zu klären.“

Gut 15 Minuten dauerte es, die Hilfsgüter dann in den Bussen am Donnerstag Abend zu verstauen, Nachbarn packten mit an. Um 21 Uhr setzte sich der kleine Konvoi schließlich in Bewegung, auf eine Fahrt ins Ungewisse. Aber mit einer vollen Ladung Hoffnung im Herzen.

Update: Die Ereignisse dieser Tage sind dynamisch. Stand Freitag sind 5 Fahrer unterwegs, da einer kurzfristig ausgefallen ist. Als Zielort peilt der kleine Konvoi nun den ukrainisch-ungarischen Grenzübergang Berehowe an.

Auch SchwäPo-Redakteur Erik Roth begleitet derzeit einen Hilfskonvoi an die ukrainische Grenze und berichtet auf der Reise, was er erlebt. 

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