- VonGerhard Königerschließen
Zahlreiche Besucherinnen und Besucher verfolgen die Aussprache des Landrats mit dem Ellwanger Gemeinderat zur künftigen Klinikstruktur im Ostalbkreis.
Ellwangen Die vierte Sitzung des Gemeinderats in diesem Jahr hatte ein gewichtiges Thema: Das Zukunftskonzept der Kliniken Ostalb und damit auch die Zukunft der Ellwanger St. Anna-Virngrundklinik. Neben OB Michael Dambacher saßen Landrat Joachim Bläse, der ärztliche Leiter der Kliniken Ostalb, Prof. Dr. Ulrich Solzbach, Sylvia Pansow und der Chefarzt der St. Anna-Virngrundklinik, Priv.-Doz. Dr. Andreas Prengel.
Bläse stellte klar, dass es nicht nur um die Kliniken gehe sondern um die Gesundheitsversorgung im Kreis insgesamt. Er machte auf die 30,5 Prozent nicht offener Arztsitze im niedergelassenen Bereich aufmerksam. Die fortgeschrittene Altersstruktur der praktizierenden Mediziner rufe nach struktureller Veränderung. "Wir haben ein Problem und das wollen wir gemeinsam lösen", sagte er.
Warum eine neue Klinikstruktur nötig ist
Prof. Solzbach machte deutlich, warum sich die Struktur der Ostalbkliniken verändern muss und was sich seit seinem letzten Vortrag im Gemeinderat verändert hat. Der Fachkräftemangel sei das drängendste Problem und verschärfe sich immer weiter. 140 Betten könnten derzeit nicht belegt werden, weil Personal fehlt. Ausufernde Kosten und Regulierungsvorgaben des Gesetzgebers, insbesondere die Mindestmengenregelung, seien weitere Faktoren, die nach Neuordnung rufen. Bei Hebammen und Ärzten müsse man immer öfter auf Honorarkräfte zurückgreifen. Die demografische Entwicklung verschärfe die Probleme noch.
Um Schwerpunkte zu bilden, früher auch "Leuchttürme" genannt, müssten bestimmte Vorgaben erfüllt sein, zum Beispiel der 24-Stunden-Facharztstatus. An drei Standorten sei das schlichtweg nicht mehr möglich.
Dr. Prengel machte deutlich, welche Ziele nach einer Reform erreicht sein müssten: An einer Klinik im Kreis müsse eine komplette Versorgung geboten sein, um Herzinfarkt, Schlaganfall, Politrauma behandeln zu können. Dort müssen viele Fachabteilungen eng zusammenarbeiten. Die komplette Versorgung sei schon jetzt, erst recht aber in Zukunft nicht mehr in jeder Klinik möglich.
Warum Basisversorgung in Ellwangen sein muss
Assistenzärzte kämen wegen der Weiterbildungskataloge vornehmlich an Häuser mit Vollversorgung. In 30 Minuten soll eine medizinische Basisversorgung für alle Bewohner erreichbar sein. Für die Bürgerinnen und Bürger am östlichen Rand des Kreises sei das praktisch nicht darstellbar. Deshalb sei eine medizinische stationäre Grundversorgung in Ellwangen zur Behandlung einer zeitlich befristeten Intensivbehandlung ebenfalls Ziel. Die Personalversorgung müsse Standortübergreifend aufgestellt sein.
Für Landrat Dr. Bläse stellte sich allein die Frage: "Wie gehen wir mit der Thematik um?" Man könne sich natürlich verweigern, die sich verändernde Realität einfach nicht zur Kenntnis nehmen. Doch verantwortlich handeln heiße gestalten, reagieren auf Personalmangel, Qualitätsanforderungen, technischen Fortschritt. "Die Patienten suchen sich den Weg zu der Klinik, die ihnen die beste Qualität bietet."
Der Kreistag habe "zustimmend zur Kenntnis genommen", so viel Zentralität wie nötig, so viel Dezentralität wie möglich anzustreben, sagte Bläse: "Wir müssen jetzt eine Strukturentscheidung treffen, die bis 2050 trägt." Von den drei derzeit diskutierten Modellen spricht sich Bläse für Modell 3 aus: einen Regionalversorger westlich von Aalen, einen Gesundheitscampus in Mutlangen und einen in Ellwangen.
Solzbach machte deutlich, dass Regionalversorgermodell und die Überlegungen der Regierungskommission zu ähnlichen Ergebnissen kommen. Das Lauterbach-Konzept mit verschiedenen Levels, die mit verschiedenen Leistungsansprüchen verbunden sind, passe gut zu den Überlegungen im Ostalbkreis. Im Level 1 sei nicht mehr alles möglich, sondern ganz basale Beobachtungsmedizin. Aalen und Mutlangen wären derzeit Level II-Kliniken. "Wir müssen aber ein Level III-Haus im Ostalbkreis haben, damit wir die Eingriffe, die wir bisher im Ostalbkreis haben, auch hier halten können."
Kliniken-Vorstandsmitglied Sylvia Pansow erklärte, dass der Standort Essingen der zentralste Ort wäre, um möglichst viele Einwohner in der 30 Minuten Zone zu erreichen, ein externer Dienstleister soll den Landkreis bei der Standortauswahl unterstützen. Ein Steuerungskreis soll das Zukunftskonzept in verschiedenen Bereichen konkretisieren, fünf Arbeitsgruppen die verschiedenen medizinischen Aspekte bearbeiten. Welches Modell umgesetzt wird, soll der Kreistag zum Jahresende 2024 entscheiden.
Nötig sei eine Reform der Notfallversorgung, bei der die Leitstelle entsprechend dem Notfall triagiert und den Rettungsdienst steuert, zu ambulanter Notfallversorgung oder der Notaufnahme im Krankenhaus entsprechend der jeweiligen Notfallversorgungsstufe. In Ellwangen sei dies die Basisstufe 1 mit Chirurgie, Unfallchirurgie, Innere, 6 Intensivbetten, Schockraum, CT. Hier wären auch Entbindungen möglich.
Ein Kommunikationskonzept sehe einen intensiven Bürgerdialog vor, einschließlich Gesprächen mit zufällig vom Generator ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern.
Was die Gemeinderäte sagen
Armin Burger (CDU) sagte, die Menschen fürchteten die Aufgabe der St. Anna-Virngrundklinik, die eine wichtige Bedeutung im Osten des Landkreises habe. Die Gründe für die Reform seien unstrittig, aber medizinische Versorgung müsse vorgehalten werden unabhängig von den Kosten, wie bei einer Feuerwehr.
Rudolf Kitzberger (Grüne) betonte, dass es um die Menschen in und um Ellwangen sowie dem nordöstlichen Kreisgebiet gehe. Wegen hohen Vorhaltekosten sei in Ellwangen mehr als die reine Basisversorgung nötig, auch um die Gesundheitsakademie weiter am Ort zu halten. Das Personal in Ellwangen werde auch nicht automatisch nach Aalen oder wohin auch immer mitgehen.
Gunter Frick (FW/FBE) machte darauf aufmerksam, dass der geografische Mittelpunkt des Kreises nicht Essingen sondern Oberalfingen ist: "Sonst ist der östliche Kreis abgehängt."
Herbert Hieber (SPD) zweifelte daran, dass bei dem vorgeschlagenen Modell die Bürger der Raumschaft weiterhin gut versorgt werden könnten.
Bläse sagte zum Modell 2d (Regionalversorger AA, Grundversorger Ellw, Gesundheitscampus Mutlangen) spreche, dass es langfristig nicht tragen werde: "Nur auf dem Papier ist mir zu wenig, ein Konzept muss auch in der Praxis tragen."
Solzbach meinte, in zehn Jahren werde man angesichts der Personalentwicklung nur noch 600 Betten betreiben können. Wichtig sei dann, dass die zeitkritischen Eingriffe noch hier im Kreis stattfinden. 2d brauche so viel Personal an verschiedenen Stellen, dass man vom Personal her ein Level 3-Klinikum nicht mehr hinbekomme.