- VonUlrike Schneiderschließen
So hat der Spiegel-Bestseller-Autor Tim Pröse Prominenten und Nicht-Prominenten ein Denkmal gesetzt. Was der 53-Jährige Journalist am Freitag, 17. März, in der Stadtbibliothek in Oberkochen erzählt und was das mit menschlichen Katastrophen zu tun hat.
Oberkochen
Journalist und Buchautor Tim Pröse ist am Freitag, 17. März, um 19.30 Uhr zu Gast in der Oberkochener Stadtbibliothek. Dort liest der Spiegel-Bestseller-Autor zur "Nacht der offenen Bibliotheken" aus "Der Tag, der mein Leben veränderte". Im Werk des 53-Jährigen geht es um 15 Begegnungen, die Mut machen sollen. Im Vorfeld des Abends sprach er mit SchwäPo-Redakteurin Ulrike Schneider über sein Buch und auch über Persönliches.
Was hat Sie inspiriert, dieses Buch zu schreiben?
Tim Pröse: Ich sitze jede Woche in einem ICE und reise irgendwo hin zu einer Lesung und ärgere mich beziehungsweise hatte mich geärgert, dass der Zug auf freier Strecke anhält, der sogenannte "Personenschaden". Den kennen wir auch auf der S-Bahn, auf dem Weg zur Arbeit war ich einer der vielen, die sich geärgert haben, bis ich dann wissen wollte, was dahintersteckt und mehrerer solcher Fälle recherchiert habe. Ich bin dann mit einem Kriseninterventionshelfer mitgefahren, der sich solchen "Personenschäden" annimmt. Der also gerufen wird, wenn jemand unter eine S-Bahn oder einen Zug gerät. Der den Lokführer betreut und meist auch noch die Aufgabe hat, den Hinterbliebenen zu sagen, dass ihre Tochter, ihr Sohn, ihr Mann, ihre Frau nicht mehr lebt. Das ist auch der Einstieg in meinem Buch. Ich wollte einfach mein Mitgefühl mit diesen Menschen wiederbeleben. Wir haben das verloren. Wir sind etwas taub geworden für die vielen Katastrophen um uns herum. Da wollte ich mein Feingefühl wieder schärfen. Davon handelt dieses Buch - von solchen Schicksalsschlägen, die uns begegnen. Die wollte ich bewusst aufzeichnen und die Hinterbliebenen begleiten.
Gibt es ihn Ihrem Leben auch einen Tag, der alles oder eben vieles verändert hat?
Ja, in meinem Leben gibt es auch so einen Tag. Das war vor sieben Jahren, als ich entlassen wurde aus meiner Festanstellung als Journalist. Erst fiel ich in einen Abgrund und dann habe ich mich wieder zurückbesonnen aufs Schreiben. Da habe ich ein Buch geschrieben, die "Jahrhundertzeugen: die Botschaft der letzten Helden gegen Hitler". Das wurde ein Bestseller, ein Longseller. Seitdem bin ich glücklich als freier Autor und habe diesen Tag, der scheinbar mein Verhängnis war, sehr gut in Erinnerung, weil er mir so viele neue Optionen geschenkt hat im Leben.
Welche der Geschichten, hat sie am meisten beeindruckt?
Am meisten beeindruckt hat mich die Geschichte meines Freundes Jurek Rotenberg, ein Shoah-Überlebender, mit dem ich mich in den vergangenen zehn Jahren angefreundet habe, der mich immer wieder mal in Deutschland besuchte und ich ihn in Israel und von dem ich so viel lernen durfte, was es heißt am Leben zu sein, das Glück überlebt zu haben, auszukosten und es weiterzureichen. Die Flamme der Überlebenden, die gilt es weiterzureichen. Das ist bei mir in allen Büchern so.
Ihre Bücher handeln von Vorbildern und Helden - wer waren die Helden Ihrer Jugend?
Die Heldin meiner Jugend, das war Sophie Scholl. Schon als Junge hat mich Sophie Scholl beeindruckt. Als ich dann erwachsen wurde, Journalist wurde und nach München zog, habe ich mich auf die Spuren von Sophie Scholl begeben. Sie ist das Herzstück meines Buchs "Jahrhundertzeugen". Sie begegnet mir auch heute noch immer wieder in München. Und ich freue mich, dass sie so gegenwärtig ist.
Welches Ihrer Werke ist Ihr Favorit?
Mein Favorit ist immer das Buch, das ich gerade geschrieben habe. So ist "Der Tag, der mein Leben veränderte, mein Favorit.
Warum?
Ich freue mich darüber, dass ich damit jetzt losziehen kann und dass ich überall in Deutschland eingeladen worden bin, aus diesem Buch zu lesen. Bei mir ist das nicht nur ein Lesen, sondern ein szenischer Vortrag. Ich versuche die Menschen, denen ich begegnet bin, die beinahe schon gestorben sind, die wunderbar gerettet wurden, die ein neues Leben begonnen haben, an diesem Abend auf der Bühne mit dabei zu haben. Ich versuche, sie aufleben zu lassen. Dieses Mal in Oberkochen.
Kennen Sie Oberkochen oder die Ostalb?
Ich kenne die Gegend und die Ostalb sehr gut. Die Alb dort ist sehr inspirierend. Eigentlich müsste ich dort länger bleiben und mich tragen lassen von der Schönheit der Landschaft. Manches Mal bleibe ich in der Pension, in der ich gerade bin und schreibe ein paar Kapitel an einem neuen Buch. Vielleicht wird das in Oberkochen auch so sein.
Was erwartet die Gäste am Freitagabend?
Wie gesagt, es ist eine szenische Lesung. Ich erzähle viel, was nicht im Buch steht. Ich versuche es lebendig und mitreißend zu machen und werde einige Lieder einspielen, die mich zu diesem Buch inspiriert haben. Ich werde von meinem Freund Udo Lindenberg erzählen, der wie ein Sinnbild steht für diese Menschen. Der ein Phoenix aus der Asche sondergleichen war und den ich über Jahre begleitet habe. Aber ich werde auch von anderen prominenten und nicht-prominenten Menschen erzählen, denen ich in diesem Buch ein Denkmal aus Zeilen gesetzt habe.
Gut zu wissen
Tim Pröse ist 1970 in Essen geboren und lebt als Buchautor und freier Journalist in München. Für sein aktuelles Buch „Der Tag, der mein Leben veränderte. Von Menschen, die aus tiefster Krise zu sich selber fanden“ begleitete er Ausnahmemenschen wie Hans-Dietrich Genscher, Udo Lindenberg und Heinz Rudolf Kunze, aber vor allem bislang Unbekannte, die Unglaubliches erlebt und bewältigt haben.
Die Lesung in der Stadtbibliothek am Freitag, 17. März, beginnt um 19.30 Uhr; Einlass ist um 19 Uhr.
Vorverkauf über die Stadtbibliothek 8 Euro; Abendkasse 10 Euro; ermäßigt 6 Euro.