- VonDagmar Oltersdorfschließen
Wie der Sänger sich mit dem Palastorchester am Mittwochabend mit seinem neuen Programm in der Stadthalle präsentiert.
Aalen
Vielleicht würde der ein oder andere Max Raabe gerne eine lasterhafte Zigarette in die Hand drücken. Passend wäre es etwa, wenn er auf der Bühne am Klavier lehnt und seinem famosen und mimikstarken Pianisten Ian Wekwerth zuhört. Denn auch wenn Raabe die Wirbelsäule dabei ein wenig aus der muskulären Zementierung löst - Raabe sieht dabei immer noch so beneidenswert tadellos blütenweiß aus, wie das Hemd, das er sichtbar frisch gestärkt unterm Samtsakko trägt. Doch der Rauch wabert nur zart aus den Tiefen der Bühne heraus übers Palastorchester. Das hat sich akkurat in reih und Glied platziert. In Aalen ist Max Raabe erneut ein gern gesehener Gast: Die Stadthalle ist mit rund 750 Gästen aller Altersklassen gut gefüllt. „Wer hat hier schlechte Laune“, so der Titel der Tour diesmal.
Die Liebe, das Leben
Raabe und Lieder über die Liebe. Das gehört zusammen wie Raabe und das Palastorchester. Mit weichem Klang und so unaufdringlich wie gut artikuliert besingt er sie in „Der Sommer“ gleich zu Beginn. Hüllt das Publikum ins romantische Bett einer Liedtradition aus vergangen Zeiten. Zeiten, in denen man noch nicht auf allen Kanälen rausposaunte, was man will vom anderen Geschlecht. Texte, denen es aber an Hintersinn nicht mangelt. Heißt es doch im Lied „Unter den Pinien von Argentinien“ - „Unter den Zypressen, hab ich mich vergessen.“ Aha.
„Wie kommt man sich näher und wie wird man sich dann auch wieder los?“ darum geht es „im Großen und Ganzen und ganz allgemein“, - so Raabe in einer seiner wenigen Zwischenmoderationen, die meist mit einer staubtrockenen Pointe enden. Etwa der, dass Lohengrin mit einem Holzkahn von einer Ente - dem langsamsten Verkehrsmittel überhaupt - gezogen zum Dating ging. „Das dauert dann 4 Stunden 45. Speed-Dating geht anders“, kommentiert Raabe.
Kürzer geht es ja auch. Witziger als bei Wagner ohnehin. Es ist Raabes große Kunst, Neues elegant in den Reigen des Alten einzureihen. „Das mit uns könnte was werden“ beißt gleichsam den brunchenden Zeitgeist und das Bahnfahren charmant und seitwärts. „Ich werde jede Nacht von Ihnen träumen“ - ein Lied aus der Feder von Peter Kreuder ist zwar eher zahnlos - Raabes Bariton verleiht ihm aber ganz frischen ironischen Hintersinn.
Kostbarkeiten auch fürs Auge
Nach und nach steigert sich die Choreographie des Abends. Denn der schwarze Bühnenvorhang hinter dem Orchester birgt jede Menge Kostbarkeiten fürs Auge. Mal sieht das Publikum Palmen, Strand und Meer und die Vögel zwitschern zur vom Orchester mit leichten Händen präsentierten Rumba. Dann wieder flitzt das Orchester, das vorne spielt, auf der Leinwand in Pappkartons wild durch das Geschehen. Und bei „Es wird wieder gut“ - mal mit Raabe als Sänger, mal in einer mitreißenden Dancefloor-Fassung rein instrumental präsentiert - glaubt man wunderbar davon eingefangen genau das sofort.
Auch die Hits fehlen nicht. „Tage wie Gold“ aus „Babylon Berlin“ oder „Für Frauen ist das kein Problem“ sichern ebenso wie alles andere Zwischenapplaus.
Zurück zum Titel des Abends: Schlechte Laune hat das Publikum nach gut zweieinhalb Stunden Programm keinesfalls. Mehrere Zugaben ruft es sich stehend herbei. Tadellos - dieser Abend. Gut, dass sich Raabe keine Zigarette angezündet hat. Seiner Stimme und der Stimmung im Saal hätte das sicher nicht gutgetan.