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Schubart-Preis für raffinierte Verwandlung eines Lebens

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Von: Rainer Wiese

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Julia Schoch, die Trägerin des Schubart-Literaturpreises, mit Aalens Oberbürgermeister Frederick Brütting.
Julia Schoch, die Trägerin des Schubart-Literaturpreises, mit Aalens Oberbürgermeister Frederick Brütting. Fotos: Holger Bewersdorf © Holger Bewersdorf

Der Aalener Literaturpreis wird an Julia Schoch und Slata Roschal verliehen. Der Aalener OB Frederick Brütting setzt einen politischen Akzent.

Aalen. Der Schubart-Literaturpreis wird alle zwei Jahre vergeben, heuer an die Brandenburgerin Julia Schoch für den Roman „Das Vorkommnis. Biographie einer Frau“ und an die in München lebende Russin Slata Roschal für „153 Formen des Nichtseins“, ebenfalls ein Roman. Bei der feierlichen Überreichung des mit 20 000 Euro Hauptpreises und des mit 7500 Euro dotierten Förderpreises setzte Oberbürgermeister Fredrick Brütting im KubAA einen politischen Akzent.

Brütting widmete die diesjährige Würdigung von Christoph Friedrich Daniel Schubart insbesondere den Opfern des russischen Staatsterrors, den Dissidenten, die in Lagern und Gefängnissen aus der Öffentlichkeit weggesperrt und gefoltert werden, so wie Schubart von der Obrigkeit weggesperrt und gefoltert worden sei.

Das sagt die Jury zu Schoch

Die Laudatio auf die Preisträgerin hielt Anne-Dore Krohn für die achtköpfige Jury. Sie schlug einen Bogen von der literarischen Präsenz des Schubart’schen privaten Ichs zu der Suche nach der eigentlichen Biographie in fiktionaler und subjektiver Darstellung des eigenen Lebens und seiner Umstände bei Julia Schoch. „Aber wie schreibt man über sich selbst?“, fragt Anne-Dore Krohn und formuliert glänzendes Lob als Antwort: „Die wenigsten tun das so klug und konzentriert, so poetisch und pointiert wie sie. Gerade davon waren wir (die Jury – Red.) beeindruckt: von Julia Schochs künstlerischer und raffinierter Verwandlung des eigenen Lebens zu Literatur“. Der dtv-Verlag charakterisiert das Buch so: „In ‚das Vorkommnis‘, dem ‚Auftakt ihrer Trilogie ‚Biographie einer Frau‘ erzählt Julia Schoch von einem Leben, das urplötzlich eine andere Richtung bekommt. Von Mustern, die die Liebe hervorbringt, vom allmählichen Sich-Auflösen von Beziehungen. Fesselnd und klarsichtig, empfindsam und präzise – so zieht sie hinein in den Strudel der ungeheuerlichen Dinge, die, wenn man’s genau nimmt, auch alltäglich sind.“

Am Anfang der bestens ausformulierten Begebenheiten und Denkwürdigkeiten steht die Begegnung mit der bis dahin unbekannten Halbschwester, die sich der erzählenden Autorin nach einer Lesung mit dem Satz nähert: „Wir haben übrigens denselben Vater.“ Aus diesem Satz entwickelt sich der Roman.

Julia Schoch berichtet in ihrer Dankrede mit feinster Selbstironie von dem „Ich“ als einer fiktiven Version ihrer selbst und von dem notwendigen Mut bei der Spurensuche, etwas wahrzunehmen und zu beschreiben, „was man lieber übersehen hätte“. Und sagt mit authentischer Artigkeit, wie sehr sie sich über den großen Preis freut.

Slata Roschal freut sich in ihrer Denkrede für den Förderpreis, dass das Preisgeld „bis zum März des nächsten Jahres reichen“ werde und sie die „ vollen Benefits“ der Auszeichnung genießen könne, die mediale Aufmerksamkeit, die Feedbacks, die Lesungen.

„153 Formen des Nichtseins“ hat Slata Roschal ihr Romandebüt genannt, eine Sammlung von literarischen Miniaturen, Dokumentationen von allerlei Kuriositäten, monströsen Elaboraten der Bürokratie, Tagebucheinträgen, Facebook-Einträgen, Minireportagen, höchst persönliche Statements. Es entsteht ein Sittengemälde unserer Zeit, kritisch, ironisch, witzig. entlarvend, geschrieben und kompiliert aus der Sicht einer Russin und Deutschen, Frau, Mutter, Schriftstellerin, Wissenschaftlerin auf der Suche nach dem eigenen und eigentlichen Ich. Über die „153 Formen …“ und die Autorin äußerte sich für die Jury der Stuttgarter Literaturkritiker Stefan Kister. Der Preis wurde übergeben vom Oberbürgermeister gemeinsam mit dem Chef der Kreissparkasse Markus Frei.

Wechsel in der Jury

Die Feier wurde vorzüglich mitgestaltet vom Feuerbach Quartett mit kammermusikalischen Adaptionen aktueller Hits von Ed Sheeran, Survivor und Queen sowie dem Allegro des Streichquartetts Nr. 12 von Antonin Dvorak, aufgespielt in präziser Unbefangenheit.

Am Ende der gut anderthalbstündigen Veranstaltung meldete sich noch einmal die Jury zu Wort. Anne-Dore Krohn teilte mit, dass Verena Auffermann und Michael Kienzle sich aus der Jury verabschiedet haben und Miriam Zeh und Tilla Fuchs nachrücken. Auffermann und Kienzle wurde ausführlich gedankt. Anne-Dore Krohn dankte mit herzlichen Worten der Aalener Kulturamtsleiterin Ute Singer für die unermüdliche und umsichtige Organisation der Jury-Arbeit.

Der Preis „kann an Personen verliehen werden, deren literarische Leistung in der Tradition des freiheitlichen und aufklärerischen Denkens von Christian Friedrich Daniel Schubart steht.“ (Stadt Aalen)

Dotierung: Hauptpreis 20.000 Euro, Förderpreis: 7.500 Euro

Frühere Preisträger*innen: Monika Helfer, Daniel Kehlmann, Peter Schneider, Uwe Timm, Robert Gernhardt, Ralf Giordano, Alice Schwarzer, Peter Härtling, insgesamt 30 Hauptpreis-Trägerinnen und -Träger.

Der Preis wird alle zwei Jahre seit 1956 vergeben.

Verleihung des Schubart-Literaturpreises
Verleihung des Schubart-Literaturpreises © Holger Bewersdorf
Verleihung des Schubart-Literaturpreises
Verleihung des Schubart-Literaturpreises © Holger Bewersdorf
Verleihung des Schubart-Literaturpreises
Verleihung des Schubart-Literaturpreises © Holger Bewersdorf
Verleihung des Schubart-Literaturpreises
Verleihung des Schubart-Literaturpreises © Holger Bewersdorf
Verleihung des Schubart-Literaturpreises
Verleihung des Schubart-Literaturpreises © Holger Bewersdorf
Verleihung des Schubart-Literaturpreises
Verleihung des Schubart-Literaturpreises © Holger Bewersdorf
Verleihung des Schubart-Literaturpreises
Verleihung des Schubart-Literaturpreises © Holger Bewersdorf
Verleihung des Schubart-Literaturpreises
Verleihung des Schubart-Literaturpreises © Holger Bewersdorf
Verleihung des Schubart-Literaturpreises
Verleihung des Schubart-Literaturpreises © Holger Bewersdorf
Verleihung des Schubart-Literaturpreises
Verleihung des Schubart-Literaturpreises © Holger Bewersdorf
Verleihung des Schubart-Literaturpreises
Verleihung des Schubart-Literaturpreises © Holger Bewersdorf
Slata Roschal mit Sparkassen-Chef Markus Frei.
Slata Roschal mit Sparkassen-Chef Markus Frei. © Holger Bewersdorf
Verleihung des Schubart-Literaturpreises
Verleihung des Schubart-Literaturpreises © Holger Bewersdorf
Verleihung des Schubart-Literaturpreises
Verleihung des Schubart-Literaturpreises © Holger Bewersdorf
Verleihung des Schubart-Literaturpreises
Verleihung des Schubart-Literaturpreises © Holger Bewersdorf
Verleihung des Schubart-Literaturpreises
Verleihung des Schubart-Literaturpreises © Holger Bewersdorf
Verleihung des Schubart-Literaturpreises
Verleihung des Schubart-Literaturpreises © Holger Bewersdorf

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