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Der Ostalbkreis: vielfältig, schwäbisch und stark

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Von: Jürgen Steck

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Im Gespräch über den Ostalbkreis: Landrat Dr. Joachim Bläse und Redaktionsleiter Jürgen Steck.
Im Gespräch über den Ostalbkreis: Landrat Dr. Joachim Bläse und Redaktionsleiter Jürgen Steck. © Oliver Giers

Landrat Dr. Joachim Bläse über die Geburtswehen des Ostalbkreises, über die versteckten Champions in der Region, über die Menschen und Landschaften - und über das GD-Schildle.

Aalen

Ein großartiger Landkreis mit großartigen Möglichkeiten: Vor 50 Jahren wurde dieser Landkreis mit dem etwas sperrigen Namen gegründet: der Ostalbkreis. Wieso mussten eigentlich die beiden Landkreise Aalen und Schwäbisch Gmünd zusammengeführt werden? Wie wurde damals diskutiert? Wie steht der Ostalbkreis heute da - und welche Herausforderungen gibt es aktuell? Über diese und andere Themen sprachen Landrat Dr. Joachim Bläse und SchwäPo-Redaktionsleiter Jürgen Steck.

50 Jahre Ostalbkreis: Warum ist das ein Grund zum Feiern?

Joachim Bläse: Weil sich erwiesen hat, dass die damalige Verwaltungsreform ihr Ziel, bessere und effizientere Verwaltungsstrukturen, erreicht hat. Und es ist gelungen, eine gewisse raumpolitische Größe zwischen Bayern und dem Großraum Stuttgart aufzubauen. Das sind die zwei Hauptkriterien.

Was zeichnet den Ostalbkreis ganz besonders aus, worauf sind Sie richtig stolz?

Wir sind ja ein bisschen wie ein Spiegelbild Baden-Württembergs im Kleinen. Wir sind ländlich, wir sind städtisch, wir sind klein, wir sind groß, wir haben Hidden-Champions, wir haben Land- und Forstwirtschaft, wir haben Zuzug, mehrere Zentren, insbesondere die beiden Großen Kreisstädte Aalen und Schwäbisch Gmünd und eine große raumschaftliche und kulturelle Identität. Die Bopfinger sind anders als die Ellwanger oder die Neresheimer und die Gmünder anders als die Aalener. Ich finde es toll, dass der Kreis diese raumpolitische Größe wurde und wir trotzdem die kulturellen Identitäten der einzelnen Städte und Gemeinden bewahren und stärken konnten.

Wie kann man die Menschen hier beschreiben?

Die Menschen sind spannend. Sie haben unterschiedliche Mentalitäten. Man merkt, ob man auf dem Härtsfeld oder im Remstal unterwegs ist. Auch ist es ein Unterschied, ob man hier in Aalen oder im katholisch geprägten Ellwangen ist. Die Menschen sind richtig interessiert, sie sind richtig herzlich. Sie sind im Sinne einer guten Nachbarschaft unterwegs. Sie sind aber auch oft zuerst eher beobachtend. Aber man kann sich auf die Leute hier verlassen. Sie sind ehrlich.

Wenn jemand noch nie im Ostalbkreis gewesen ist: Was muss diejenige oder derjenige unbedingt gesehen haben?

Unbedingt gesehen haben sollte man unsere absoluten Landschaftsmerkmale – in Gmünd den Salvator, den Rechberg, um das Gefühl für das Staufische und auch das Kirchliche dort zu bekommen. Das Remstal insgesamt ist sehr spannend. Hier in Aalen ist es die große Hüttenwerktradition, der Bergbau, der Braunenberg. In Ellwangen sicher die Wallfahrtskirche Schönenberg. Man muss auf den Ipf hinauf und dies auf sich wirken lassen, wenn man den östlichen Raum verstehen will. Und man sollte beim Kloster Neresheim gewesen sein und natürlich auch auf dem Rosenstein. Das sind unsere Highlights, so bekommt man ein Gefühl für den Kreis!

Zum Anlass: Warum hat man die Landkreise eigentlich zusammenlegen müssen, damals vor 50 Jahren?

Es war eine Zeit, in der man gespürt hat, dass man aus dem vielen Kleinteiligen größere, vernünftigere Verwaltungsstrukturen schaffen muss. Man musste größere Einheiten schaffen, um komplexere Themenstellungen effizienter angehen zu können. Dass dies erfolgreich war, hat sich jetzt wieder in der Corona-Pandemie oder in der Ukraine-Krise gezeigt.

Denken wir kurz an die Geburtswehen: Insbesondere im Gmünder Raum sah man sich bei der Kreisreform als Verlierer. Was hat Schwäbisch Gmünd eigentlich gewonnen durch die Reform?

Gmünd hat sicher dadurch gewonnen, dass es Teil dieser belastbaren, überörtlichen Verwaltungseinheit geworden ist. Schwäbisch Gmünd hat mit dem Ostalbkreis Chancen, Teil eines Oberzentrums zu sein. Aber - das hat ja auch unser Kreisarchivar Uwe Grupp bei seinem Vortrag zu 50 Jahre Ostalbkreis aufgezeigt - Gmünd hat damals versucht, Einheiten mit Schorndorf oder Göppingen zu bilden. Dies war aber dort nicht gewollt. Gmünd hatte also durchaus einen gewissen Bedeutungsverlust verkraften. Gmünd muss sich aber nicht verstecken und hat sich sehr gut entwickelt in den vergangenen Jahren.

Das GD-Schild ist seit zehn Jahren wieder da. Wie wichtig sind solche Symbole eigentlich?

Das GD-Schild abzuschaffen, war im Nachhinein betrachtet sicher ein Fehler. Das wäre das Einzige gewesen, was man den Menschen zur Identitätswahrung ohne viel Aufhebens hätte lassen können. Und so war es stattdessen ein Synonym dafür, das etwas verschwindet. Heute ist man in diesen Dingen sensibler und gibt mehr Freiräume – warum denn auch nicht, wenn es den Menschen guttut.

Machen wir mal kurz ein „Was wäre, wenn…?“ Vorgeschlagen war ja im allerersten Denkmodell ein „Großkreis Aalen“, zu dem neben dem Aalener und dem Schwäbisch Gmünder Landkreis auch der von Heidenheim gehört – mit Aalen als Kreissitz und Oberzentrum. Wären Sie gern Landrat in einem solchen Landkreis?

Ich glaube persönlich, ein so großer Landkreis wäre für einen Landrat nicht mehr „handlebar“. Wenn ich den Ostalbkreis vergleiche mit Heidenheim, zu dessen Landrat Peter Polta ich ein sehr freundschaftliches Verhältnis habe: In Heidenheim sind es zwölf Städte und Gemeinden – im Ostalbkreis aber 42. Ich versuche hier im Ostalbkreis, die 42 Städte und Gemeinden so zu bedienen, dass die Menschen das Gefühl haben, sie gehören dazu und ich habe an ihnen ein Interesse. Noch mal zwölf Kommunen mehr: Das ginge nicht. Über 50 Kommunen kann man als Landkreis nicht mehr bewerkstelligen.

Was der Region bislang fehlt, ist ein Oberzentrum. Jetzt ist Bewegung in der Sache. Was bringt es uns, ein Oberzentrum zu haben – und wie ist der aktuelle Stand?

Da habe mich persönlich sehr stark eingebracht, weil ich weiß, dass eine andere Oberzentrumsdiskussion sehr schnell dazu führen könnte, das, was wir an Gemeinsamkeiten aufgebaut haben in 50 Jahren, wieder zu zerstören. Deshalb habe ich sehr früh zusammen mit den Oberbürgermeistern der Region, dem Heidenheimer Landrat Polta und dem Regionalverband das Gespräch gesucht. Und ich fand es auch toll, dass alle in der Region sich einig waren, dass es eine Netzstruktur braucht. Wir sind jetzt weiter, weil wir nicht mehr sagen, wir erfüllen gemeinsam die Funktionen eines Oberzentrums, bleiben aber Mittelzentrum. Jetzt wissen wir, dass wir ein Oberzentrum brauchen, weil wir sonst in vielen Förder- aber auch Struktur-Situationen hinten runterfallen. Denn immer wieder kommt es bei Entscheidungen, egal ob zur Schiene, zu Straßen oder bei Leitungen, zur Frage: Wo sind die Zentren? Nördlingen ist ein Oberzentrum – das nächste ist dann Stuttgart. Wir finden gar nicht statt! Wir brauchen hier also ein Oberzentrum. Sonst werden wir auf Dauer benachteiligt. Daher sage ich: Das fordern wir ein. Und zwar als belastbare Kooperation.

Ich persönlich finde ja den Namen „Ostalbkreis“ nicht so richtig gut, etwa aus Gründen des Marketings. Wie geht’s Ihnen damit?

Da geht’s mir wie Ihnen: Wenn ich irgendwohin komme und werde vorgestellt als Landrat des Ostalbkreises, da merkst Du schon, wie bei zwei Dritteln der Rollladen runtergeht. Da ist Osten – schon mal nicht unbedingt positiv belegt. Dann ist noch Alb dabei. Das zeigt nicht unsere Wirtschaftskraft. Man tut sich echt schwer. Aber bislang ist noch niemand auf etwas Besseres gekommen. Wir müssen halt dreimal mehr strampeln als andere, damit wir wahrgenommen werden.

Sie bohren dicke Bretter gerade – das Dickste ist wohl jenes, die Krankenhauslandschaft fit zu machen für die Zukunft – und sie werben für ihr Modell eines zentralen Regionalversorgers irgendwo zwischen Essingen und Aalen und mit dezentralen Gesundheitscampus in Schwäbisch Gmünd und Ellwangen sowie einem Gesundheitshaus in Bopfingen. Sie könnten es doch laufenlassen, wie es ist. Warum geben Sie sich den Stress?

Weil ich gerade spüre, dass diese Veränderungen so massiv sind und wir aufpassen müssen, welche Rolle wir künftig einnehmen wollen. So wie ich sage, „Wir brauchen ein Oberzentrum“, so sage ich, „Wir brauchen eine Klinik, die über Grund- und Regelversorgung hinausgeht“. Sonst gibt’s bestimmte Leistungen, die wir bislang kennen, nicht mehr. Jetzt wird entschieden, wie die Medizin-Struktur in den nächsten 20 oder 30 Jahren aussieht. Und wenn wir uns nicht lautstark zu Wort melden, dann wird das zwar nicht auffallen in den nächsten zwei oder drei Jahren. Aber in den nächsten zehn oder 15 Jahren. Daher mache ich das – auch wenn ich weiß, dass ich dafür Kritik bekomme und Unterschriften gesammelt werden.

Insbesondere bei uns im ländlichen Raum müssen wir aufpassen: Wenn wir es nicht machen, dann wird da nichts sein. Spannend wird immer mehr die Frage sein, wie wir Menschen von einer strukturpolitischen Entscheidung überzeugen, ohne dass die kommunalpolitische Identität leidet. Schade aber wäre es, wenn am Ende der Gesetzgeber entscheidet. Das wäre dann die Bankrotterklärung: etwas ab- oder aufzuschieben, nur weil es schwierig wird. Dafür hat mir der Kreistag nicht das Mandat gegeben. Es geht nicht immer geräuschlos, und man wird auch nicht immer von allen geliebt. Aber das gehört halt auch dazu.

Neben den ganzen Krisen, die wir derzeit bewältigen müssen, haben wir ja gewaltige Transformationen vor uns, damit der Ostalbkreis fit wird für die Zukunft. Was müssen wir dafür tun im Ostalbkreis?

Wir dürfen nicht satt werden. Wir dürfen uns nicht darauf ausruhen, was wir haben. Wir sind sehr produktionsorientiert. Wir sind stark im Maschinen- und Werkzeugbau und in den automobilnahen Bereichen. Und da merke ich, dass die Menschen dort überlegen und schauen, wie sie ihre Kenntnisse in der Zukunft einbringen können. Das spüre ich, da läuft es. Wir haben Hochschulen, das ist wichtig. Problem wird sein, das Personal zu finden, um diese Transformation umzusetzen. Was nützt die Energiewende, wen ich keinen habe, der sie Vorort umsetzen kann, der Anlagen installiert? Wir müssen uns aber auch treu bleiben. Wir haben Land- und Forstwirtschaft. Jetzt einfach zu sagen, „Wir wechseln unser Portfolio und werden alle Dienstleister“: Das sind nicht wir. Wir werden immer produktionsorientiert sein.

Ich setze da zum Beispiel schon auf die Energiewende: Unsere technische Kompetenz, gepaart mit KI (Künstliche Intelligenz) muss die Produkte bringen, die die Menschheit braucht. Da fühle ich uns mit unseren Unternehmen gut aufgestellt. Was mir Sorge bereitet, ist, dass die Energie fehlt. Wir sind abgeschnitten von Wasserstoff bis Strom, weil die Infrastruktur fehlt. Wir sind ein bisschen am Rande. Also müssen wir Voraussetzungen schaffen, dass wir so produzieren können, dass wir uns weiter auf den Weltmärkten behaupten. Das wird die größte Herausforderung sein. Wir müssen schauen, dass nicht Leitungen und Linien an uns vorbeilaufen. Dafür haben wir unsere Offensive „Fit für die Zukunft“ aufgelegt und unterstützen in den nächsten fünf Jahren mit gut 11 Millionen Euro zukunftsgerichtete Transformations- und Innovationsstrukturen im und für den Standort Ostalbkreis.

Machen Sie mal ein „Best-Case-Szenario“, wo wir in zehn Jahren stehen.

In zehn Jahren haben wir einen sehr positiv denkenden Ostalbkreis. Wir haben das Oberzentrum. Wir haben die Schienen und die B 29 ausgebaut. Wir haben uns auch regional behauptet zwischen Stuttgart und dem Ulmer Raum. Der Ostalbkreis hat die führende Rolle in der Region – und wir finden weiter Menschen, die zu uns kommen, so dass wir keine sinkende Bevölkerungszahl haben. Dafür brauchen wir Zuwanderung. Das ist ein Problem, weil viele bei der Zuwanderung eher an die Ballungsräume denken. Mein Traum in zehn Jahren: vielseitig, schwäbisch, patent - dass wir das leben.

Und im „Worst Case“, dem schlimmsten Fall?

Worst Case wäre, wenn wir nur mit uns selbst zufrieden sind. Wenn wir sagen: Wir brauchen keine Zuwanderung. Wir brauchen keine Infrastruktur. Weil doch alles gut ist. Wir brauchen keine Flächen für erneuerbare Energien. Das ist dann eine Spirale, die nach unten führt – dazu gehört auch die Klinikdebatte.

Meine Sorge ist, dass wir die Zukunft verschlafen. Wir müssen aktiv gestalterisch eingreifen, wir müssen Dinge tun. Sonst sind wir irgendwann irgendwo hinten. Und ich will schon mit dazu beitragen, dass der Ostalbkreis in Baden-Württemberg die Stellung hat, die ihm zusteht angesichts der Akteure, die es hier gibt.

Wie nutzen Sie das Jubiläumsjahr, um den Zusammenhalt zu stärken?

Das Jubiläum ist eine riesige Chance dadurch, dass 42 Städte und Gemeinden sich einbringen. Mir hat der Auftakt mit der Matinee sehr gefallen. Und ich werde alle 42 Städte und Gemeinden besuchen, wenn diese ihre Veranstaltungen haben. Klar weiß ich, dass die Menschen in erster Linie Heubacher, Neresheimer, Gmünder, Ellwanger oder Aalener sind. Aber dieses Gefühl zu stärken, dass sich die Menschen im Ostalbkreis daheim fühlen, das finde ich wichtig. Und auch, dass man nach den Nachbarn schaut. Denn das Thema Kooperation wird wichtiger, auch wegen des demografischen Wandels. Und da sollten wir das Gefühl haben, dass wir zusammengehören.

Und zum Schluss: Worauf freuen Sie sich in diesem Jubiläumsjahr ganz besonders?

Auf das Jubiläumswochenende mit einem tollen Programm im und um das Aalener Landratsamt vom 13. bis 16. Juli, zu dem ich heute schon alle Bürgerinnen und Bürger aus dem gesamten Ostalbkreis herzlich einlade!

Dr. Joachim Bläse.
Dr. Joachim Bläse. © Oliver Giers
Im Gespräch über den Ostalbkreis: Landrat Dr. Joachim Bläse und Redaktionsleiter Jürgen Steck.
Im Gespräch über den Ostalbkreis: Landrat Dr. Joachim Bläse und Redaktionsleiter Jürgen Steck. © Oliver Giers
Dr. Joachim Bläse.
Dr. Joachim Bläse. © Oliver Giers
Dr. Joachim Bläse.
Dr. Joachim Bläse. © Oliver Giers
Dr. Joachim Bläse.
Dr. Joachim Bläse. © Oliver Giers
Das Landratsamt des Ostalbkreises in Aalen.
Das Landratsamt des Ostalbkreises in Aalen. © Oliver Giers
Dr. Joachim Bläse.
Dr. Joachim Bläse. © Oliver Giers
Im Gespräch über den Ostalbkreis: Landrat Dr. Joachim Bläse und Redaktionsleiter Jürgen Steck.
Im Gespräch über den Ostalbkreis: Landrat Dr. Joachim Bläse und Redaktionsleiter Jürgen Steck. © Oliver Giers

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