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Die Feindin im Bauch: Eine Betroffene aus dem Ostalbkreis über ihren Kampf gegen Endometriose

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Von: Dagmar Oltersdorf

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Quälende Krämpfe im Unterleib: Endometriose-Patientinnen haben diese oft nicht nur vor und während ihrer Periode, sondern im schlimmsten Fall fast den ganzen Monat.
Quälende Krämpfe im Unterleib: Endometriose-Patientinnen haben diese oft nicht nur vor und während ihrer Periode, sondern im schlimmsten Fall fast den ganzen Monat. Foto: Goffkein - stock.adobe.com © Goffkein - stock.adobe.com

Christina Meloni leidet unter der chronischen Erkrankung. Was sie als Patientin erlebt hat und welche Hilfe es für Betroffene bald geben soll.

Aalen

Schmerzen in Unterleib. 21 Tage im Monat. Ihr halbes Leben lang. Seitdem Christina Meloni 16 ist. „Ich hatte in diesem Alter schon sehr starke Blutungen und höllisch starke Unterleibsschmerzen und war damals auch zum ersten Mal im Krankenhaus deswegen“, erinnert sich die 32-Jährige. Damals wurde ihr eine Entzündung im Unterleib diagnostiziert. Doch die Beschwerden dauerten weiter an. „Es gab nur wenige Tage im Monat, in denen in ich keine Schmerztabletten genommen habe“, sagt Christina Meloni. Verschnaufpausen gab es nur, wenn sie die Pille einnahm. Die offizielle Diagnose Endometriose bekam sie aber erst 2020, nachdem die Schmerzen 2018 noch schimmer wurden. Es war ein langer und zermürbender Kampf bis dahin.

Christina Meloni teilt das Schicksal von unzähligen Frauen - die WHO schätzt die Zahl auf 190 Millionen weltweit. Jede zehnte Frau im gebärfähigen Alter leidet somit an der Erkrankung. Und sie teilt auch deren Schicksal in Sachen medizinischer Versorgung von Endometriose-Patientinnen. Nur langsam steigt das Bewusstsein für die Erkrankung.

Zermürbender Weg zur Diagnose

Nach Beschreibung der Endometriose-Vereinigung Deutschland treten bei den betroffenen Frauen Zysten und Entzündungen - so genannte Endometrioseherde - auf, die sich beispielsweise an Eierstöcken, Darm oder Bauchfell ansiedeln. In selteneren Fällen kann es auch außerhalb des Bauchraums wie etwa in der Lunge zu Endometrioseherden kommen. Das Gewebe ähnelt demnach dem der Gebärmutterschleimhaut und die Herde können mit dem hormonellen Zyklus wachsen und bluten.

Manche Frauen haben keinerlei Symptome. Doch Christina Meloni hatte starke Schmerzen und Blutungen. „Einige Ärzte, bei denen ich war, haben einfach nur gesagt: Das ist normal“, erzählt sie. Für sie aber war nichts normal. „Ich habe bis zu sechs Ibuprofen 800 genommen. Das verursachte wiederum Probleme mit dem Magen und dem Darm“, sagt die Fotografin. Sie entwickelte eine Laktoseintoleranz und eine Glutenunverträglichkeit. All das und die unbeantwortete Frage nach der Ursache ihrer starken Schmerzen belastete Christina Meloni auch psychisch. „Ich habe mich sehr alleine gefühlt damit. Und ich war wirklich erschrocken, dass es da kaum Erfahrungen und Wissen bei den Gynäkologen gibt“, sagt sie. Sie sei gefühlt von Arzt zu Arzt gesprungen.

Ausgewiesene Spezialisten für Endometriose hat Christina Meloni nicht gefunden im Ostalbkreis. Mittlerweile aber bewegt sich etwas. „Zum Zweck besserer Versorgung der Patientinnen ist die Gründung einer Endometrioseklinik im Stauferklinikum für das Jahr 2023 geplant“, sagt Dr. Todor Ilkov. Das erlaube eine sichere und leitliniengerechte Diagnostik und Behandlung für den Kreis. Rund 150 Fälle behandele man mittlerweile in Mutlangen jährlich. Häufigste Beschwerden seien Schmerzen während der Periode und beim Geschlechtsverkehr. Die Erkrankung werde bei Frauen auch im Rahmen einer Sterilitätsbehandlung entdeckt. Gesichert werde die Diagnose über die Bauchspiegelung (Laparoskopie), auch Ultraschall und Kernspin werden eingesetzt, so Ilkov.

Behandlung: Hormone und OP

Dass die Zahl der Erkrankungen steige, decke sich allerdings nicht mit seiner Auffassung, so Ilkov. Vielmehr führt er den Anstieg der Zahl von betroffenen Frauen darauf zurück, dass die Erkrankung nun öfter diagnostiziert werde. „In den letzten Jahren sind die Ärzte und die Frauen mehr für dieses Thema sensibilisiert. Das ermöglicht eine frühe Entdeckung der Endometriose“, so Ilkov. Behandelt werde mit Hormonen und operativ durch die Entfernung der Endometrioseherde. „Wie eine Patientin behandelt wird, ist aber sehr individuell. Es ist abhängig vom Beschwerdebild, Kinderwunsch und begleitenden Erkrankungen“, erklärt der Mediziner.

Kinderwunsch und Endometriose

Auch ungewollte Kinderlosigkeit kann ein Symptom der Endometriose sein. Automatisch unfruchtbar macht sie nicht. Auch in seiner Praxis gebe es Fälle, die mit einer Endometriose kommen würden, berichtet Dr. Rainer Rau vom Kinderwunschzentrum Aalen. „Ich schätze die Zahl auf maximal fünf Prozent“, sagt er. Bei Frauen, die keine Symptome hätten, sei die Erkrankung oft sehr schwer erkennbar. Wenn man hier mit einer Kinderwunschbehandlung nicht weiterkomme, rücke die Endometriose mehr in den Blickpunkt. Werde diese operiert und die Herde entfernt, steige die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft in den nächsten Zyklen.

Es ist eine Bauchspiegelung, die nach Jahren des Leidens und der Ungewissheit 2020 das bestätigt, was Christina Meloni schon lange vermutet. Sie hat Endometrioseherde, die weit verbreitet sind. Im Bauchfell, an der Blase und der Gebärmutter. Doch auch nach der OP hat sie weiterhin Schmerzen. „Es wurde sogar noch schlimmer“, sagt sie. Unterleibs- und Bauchschmerzen auch unabhängig vom Zeitpunkt der Regelblutung, Rückenschmerzen, die in die Beine ausstrahlen, Müdigkeit, Erschöpfung, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, und Übelkeit sind ihre Begleiter. „Aber die Diagnose war eine Erleichterung“, fügt sie an. Die junge Frau wendet sich an Spezialisten in Ulm. Dort gibt es ein zertifiziertes Endometriose-Zentrum. Christina Meloni beginnt Tagebuch zu führen. Zyklusdaten, Art und Schwere der Schmerzen, die Menge der Schmerzmittel - alles dokumentiert sie.

Geheilt werden kann sie durch all das nicht, aber mit Sport und Ernährung hat Christina Meloni ihre Symptome gelindert und nimmt nun weniger Schmerzmittel. „Aber die Feindin kommt, wann sie will. Ich versuche mit der Erkrankung umzugehen und damit zu leben.“ Sie wolle sich nicht in ihrem Alltag einschränken lassen. „Ich bin froh, dass ich so hartnäckig war und mich nicht habe abwimmeln lassen mit einem 'stell dich nicht an'“, sagt Christina Meloni. Ihr Schmerz fühle sich groß an, aber nicht jeder empfinde Schmerz gleich. „Ich würde mir grundsätzlich wünschen, dass man die Frauen und Mädchen mit Schmerzen ernster nimmt.“ Sie selbst habe immer gewusst, dass ihr Schmerz nicht normal ist.

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