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Die Geschichte einer Herbergssuche hier in Aalen

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Von: Ulrike Wilpert

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Sabine Mann lebt in der Wohnsitzlosenunterkunft der Caritas im Hirschbach. Ein Blick in ihr WG-Zimmer im Haus Klara in der Düsseldorfer Straße 31.
Sabine Mann lebt in der Wohnsitzlosenunterkunft der Caritas im Hirschbach. Ein Blick in ihr WG-Zimmer im Haus Klara in der Düsseldorfer Straße 31. Fotos: Oliver Giers © Oliver Giers

Sabine Mann hat nach vielen Irrwegen endlich im Haus Klara der Caritas-Wohnungslosenhilfe im Hirschbach ein Obdach gefunden.

Aalen

Vier Wände, eine Decke darüber und darunter ein Freiraum von 3,20 auf 3,30 Meter. Knapp, aber gerade ausreichend wäre hier Platz für Maria und Josef, das Christuskind in der Krippe und Ochs und Esel daneben. „Hier“ - das ist seit Oktober die Herberge von Sabine Mann: ein Zimmer im Langzeitwohnen der Wohnungslosenhilfe der Caritas Ostwürttemberg.

Nach langer und verzweifelter Suche hat die 53-Jährige in dem im dunklen Orange angestrichenen Haus Klara in der Düsseldorfer Straße 31 endlich gefunden, wonach sie sich so lange gesehnt hatte: ein Dach über dem Kopf, genug zu essen und Menschen um sich herum, die auch im Notfall für sie da sind.

Als Sabine Mann damals ihr Zuhause verloren hat, stand sie am Beginn einer langen Suche - wie einst Maria und Josef in der Bibelgeschichte. „Ich hatte viele Jahre ein geregeltes Leben“, erzählt die gelernte Verkäuferin. „Es war alles ganz normal. Ich war verheiratet, wir wollten immer Kinder haben.“ Dann kamen die drei Fehlgeburten nacheinander - jeweils in der 9. Woche. Und zuletzt eine Totgeburt im achten Monat. „Es war ein Bub. Das ist das Schlimmste, was einer Mutter passieren kann. Wenn sie das eigene Kind beerdigen muss“, sagt Sabine Mann - ihre Stimme bricht. „Das hat mir damals das Genick gebrochen.“

Die Aalenerin steht in der geöffneten Tür zu „ihrem Reich“: Seit Oktober ist das ein WG-Zimmer im zweiten Obergeschoss im Haus Klara. Wie das benachbarte Haus Franziskus bietet das Gebäude der Wohnungslosenhilfe Ostwürttemberg im Aalener Hirschbach eine Heimat für Menschen, mit denen es das Leben nicht so gut meint. Caritas-Mitarbeiter sprechen von „sozialen Notlagen“.

Im Haus Klara, das vor eineinhalb Jahren fertiggestellt wurde, befinden sich 14 dieser sogenannten Langzeitaufnahmezimmer für betreutes Wohnen auf Dauer. Davon sind aktuell zwölf belegt. „Die Bewohner können hier so lange wohnen bleiben, wie sie möchten“, sagt Wolfgang Lohner, Leiter der Wohnungslosenhilfe der Caritas Ostwürttemberg. Wer hier ankommt, hat nichts mehr. Keine Arbeit, kein Einkommen, kein Erspartes. Die Betreuungskosten übernimmt der Landkreis, die Miete das Jobcenter, zudem gibt es täglich ein paar Euro Taschengeld auf die Hand. Für 2,50 Euro gibt es täglich ein warmes Mittagessen, für jeweils 1,50 Euro Frühstück und Abendessen für all diejenigen, die sich nicht selbst versorgen können.

Mit zwei Koffern auf der Straße

Für Sabine Mann war der Verlust ihrer ungeborenen Kinder eine dermaßen schmerzliche Erfahrung, dass sie in eine schwere Depression gefallen ist. In deren Folge zerbrach die Ehe, und sie verlor ihre Arbeit. Weitere zwei Lebenspartnerschaften mitsamt den Versuchen, ihr Leben wieder aufs Gleis zu setzen, verliefen unglücklich. „Ich war einfach zu gutmütig, bin immer an den Falschen geraten und habe mich ausnutzen lassen“, zieht Sabine Mann ein vorläufiges Fazit ihres Lebens.

Nach der Trennung von ihrem letzten Lebensgefährten stand sie allein mit zwei Koffern auf der Straße. Mehr war ihr nicht geblieben von ihren Habseligkeiten. Als sie dann ein Bekannter in ein Taxi setzte und zur Wohnungslosenhilfe der Caritas fahren ließ, hatte Sabine Mann große Angst. „Ich schämte mich bodenlos. Denn noch tiefer kann man ja gar nicht sinken, dachte ich.“

Zwei Monate verbrachte Sabine Mann im Aufnahmehaus, bevor sie in einer von der Caritas ambulant betreuten WG versuchte, wieder Fuß zu fassen. Die Depression kehrte zurück. Diesmal so heftig, dass Sabine von einer Caritas-Sozialarbeiterin zurück geholt wurde ins Haus Klara - jetzt ins Langzeitwohnen.

Sabine Mann schließt die Tür zu ihrem Zimmer auf: ein Bett, ein Stuhl, ein Schrank, in der Zimmerecke ein Waschbecken. Darunter die zwei inzwischen leeren Koffer, mit denen sie hier eingezogen ist.

Auf der oberen Kante der Fensterjalousie sitzt ein Einhorn aus buntem Plüsch, das Sabine Mann in der Kleiderkammer der Caritas gefunden hat. Der einzige fröhlich wirkende Farbtupfer in dem Zimmer. Das Bett stammt aus dem Kaufhaus der Caritas, die Kommode hat Sabine Mann von einem früheren Bewohner geschenkt bekommen, auch den Fernseher. Vom Erstausstattungsgeld des Jobcenters hat sich die 53-Jährige einen hohen Kühlschrank mit Gefrierfach gegönnt. „Ich koche gern. Da kann ich mir dann ein bisschen eingefrieren.“ Die Gemeinschaftsküche der WG liegt direkt gegenüber ihrer Zimmertür. Und auch zur WG-Dusche und -Toilette sind es nur wenige Schritte.

„Ich habe einen Schlafplatz, ein Dach über dem Kopf und zu essen. Was brauche ich mehr. Ich bin sehr demütig geworden. Und ich bin sehr dankbar für so viel Hilfe, die ich hier erfahren darf.“

Rechts das Haus Klara, links das Haus Franziskus
Rechts das Haus Klara, links das Haus Franziskus © Oliver Giers
Die Gemeinschaftsküche der dreiköpfigen WG, zu der neben Sabine Mann eine weitere Frau und ein Mann zählen.
Die Gemeinschaftsküche der dreiköpfigen WG, zu der neben Sabine Mann eine weitere Frau und ein Mann zählen. © Oliver Giers
Sabine Mann lebt in der Wohnsitzlosenunterkunft der Caritas in der Braunenstraße.
Sabine Mann lebt in der Wohnsitzlosenunterkunft der Caritas in der Braunenstraße. © Oliver Giers
Sabine Mann lebt in der Wohnsitzlosenunterkunft der Caritas in der Braunenstraße.
Sabine Mann lebt in der Wohnsitzlosenunterkunft der Caritas in der Braunenstraße. © Oliver Giers
Sabine Mann lebt in der Wohnsitzlosenunterkunft der Caritas in der Braunenstraße.
Sabine Mann lebt in der Wohnsitzlosenunterkunft der Caritas in der Braunenstraße. © Oliver Giers

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