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Kliniken: Kreistag gegen Festlegung

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Von: Jürgen Steck

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Eine mögliche Klinikstruktur im Ostalbkreis: mit einem Regionalversorger mit Maximalversorgung, mit Gesundheitscampus in Mutlangen und Ellwangen und einem Gesundheitszentrum in Bopfingen. Dieses Modell ist der Favorit von Landrat Bläse. Dass es so kommt, ist aber noch nicht entschieden. Grafikquelle: Landratsamt
Eine mögliche Klinikstruktur im Ostalbkreis: mit einem Regionalversorger mit Maximalversorgung, mit Gesundheitscampus in Mutlangen und Ellwangen und einem Gesundheitszentrum in Bopfingen. Dieses Modell ist der Favorit von Landrat Bläse. Dass es so kommt, ist aber noch nicht entschieden. Grafikquelle: Landratsamt © Landratsamt

Kreistag beschließt mit Mehrheit, dass es möglichst rasch öffentliche Gespräche geben soll, in denen die Bürgerinnen und Bürger in die Klinikdebatte mit einbezogen werden.

AalenDer Landkreis ist einen Schritt weiter auf dem Weg, die Klinikstruktur im Ostalbkreis für die Zukunft wetterfest zu machen. Am Dienstag beschloss der Kreistag teils einstimmig, teils mit großer Mehrheit mehrere Handlungsaufträge an die Verwaltung. Vorausgegangen war eine teils leidenschaftlich geführte Diskussion. Auch gab es mehrere Anträge gegen den von Kreisverwaltung um Dr. Joachim Bläse zur Abstimmung stehenden Beschlussvorschlag. Vor allem wollten die Gegner erreichen, dass es nicht so aussieht, als habe der Kreistag längst entschieden, wie die Klinikstruktur im Ostalbkreis künftig aussehen soll und an welchen Standorten es was gibt. Nach einer gut zweistündigen, detaillierten Diskussion aber einigten sich die Mitglieder des Kreistags auf einen Kompromiss und Formulierungen, die die meisten mittragen konnten. Folgende Handlungsaufträge an die Verwaltung wurden veranlasst:

Punkt 1: Der Kreistag bekräftigt und legt fest, dass vor einer Entscheidung zur Zukunftsstruktur der Kliniken Ostalb eine Beteiligung und Information der Bevölkerung erfolgen soll. Dies soll mit regionalen Strukturgesprächen in den Raumschaften des Kreises durchgeführt werden.

Punkt 2: Um diese Strukturgespräche zu führen, hat der Kreistag die Verwaltung und den Vorstand der Kliniken damit beauftragt, neben dem Modell „Ein regionales Klinikum und zusätzlich ein Grundversorger in Ellwangen“, dem Modell „Je eine starke Kliniken in Mutlangen und Aalen“ das Modell „Regionalversorgung zentral mit Grundversorgung“ zu definieren - zusammen mit den Gesundheitsakteuren, also Arztpraxen, Heimen, Apotheken und weiteren Gesundheitsdienstleistern.

Punkt 3: Der Klinikvorstand wird beauftragt, unverzüglich ein Konzept zu entwickeln, wie die bestehende Qualität und die medizinischen Angebote gehalten werden können, bis das neue Konzept umgesetzt ist.

Punkt 4: Lediglich zur Kenntnis genommen hat der Kreistag, dass die Landkreisverwaltung sich näher mit dem Thema „Regionalversorgung“ beschäftigt. Dabei geht es darum, wie es mit der wohnortnahen klinischen Grundversorgung in den Raumschaften Aalen, Schwäbisch Gmünd, Ellwangen, Bopfingen/Härtsfeld jeweils aussehen könnte, falls das vom Klinikvorstand und von Landrat Bläse favorisierte Modell zum Zuge kommen würde. Dabei soll geklärt werden, was dies für die Punkte Notfallversorgung, Geburtshilfe, Pflege und Betreuung Reha sowie ambulantes Operieren in jeder Raumschaft bedeuten würde. Mit diesen Informationen will Bläse in die Strukturgespräche gehen - und noch einen Punkt will er prüfen lassen: Welcher Standort geeignet wäre für einen zentralen Regionalversorger, sollte sich der Kreistag dafür entscheiden. Kriterien dafür sind die bestmögliche Erreichbarkeit für den größtmöglichen Teil der Bevölkerung.

Bläse: nichts entschieden

Vorausgegangen war eine Diskussion, die Bläse „total überrascht“, wie er sagte. Er habe angesichts dessen, dass es um keine Standortentscheidung gehe, eher erwartet, dass aus dem Kreistag ein „endlich!“ kommt. Stattdessen habe er im Vorfeld Äußerungen gehört wie „Der Landrat umgeht die Bevölkerung“. Er frage sich, „warum sagt jemand so etwas, will man Ängste in der Bevölkerung schüren?“ Bei den aktuellen Aufträgen gehe es lediglich darum, zu sagen, „was wir untersuchen wollen“. Lange sei er gedrängt worden, seine Meinung zu sagen in Bezug auf die Klinikdebatte - und als er sich dann für das Konzept eines Regionalversorgers ausgesprochen habe, dann werde kritisiert, er entscheide am Kreistag und an den Menschen vorbei. Dabei sei überhaupt nichts entschieden. Im Übrigen sieht Bläse Chancen mit Blick auf Berlin. Im Bundesgesundheitsministerium wurde ein neues Krankenhauskonzept vorgelegt, in dem unter anderem drei unterschiedliche Versorgungslevel definiert werden - da sei man mit dem Regionalversorgerkonzept nicht weit weg: „Ich will bei Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach anrufen und sagen: 'Hier ist der Ostalbkreis'“ und um Unterstützung werben. 

Die Diskussion

In der Diskussion gab's mehrere Anträge - den ersten von Karl Hilsenbek (FW), der zunächst beantragte, über mehrere Punkte nicht abzustimmen, weil diese seiner Ansicht nach auf eine Festlegung hinauslaufen könnten. Nach einer von Dr. Carola Merk-Rudolph (SPD) beantragten Sitzungsunterbrechung, in der sich die Fraktionen zu Hilsenbeks Antrag besprachen, zog dieser den Antrag wieder zurück, weil er den Eindruck gewonnen habe, die Kreisräte wünschten den Austausch.

Keine Fakten geschaffen

Dr. Gunter Bühler nannte den Stand der Diskussion in Sachen Kliniken „sehr, sehr aufgeregt“, sprach von „bestellten Diskussionen“ in manchen Raumschaften, was er schade finde. Daher sei es wichtig, zu erklären. Und deswegen sei es gut, wenn Landrat Bläse dies nun in regionalen Strukturgesprächen tue. Für die CDU sprach sich Bühler zunächst gegen Handlungsaufträge aus, in denen es um den Regionalversorger und einen möglichen Standort dafür ging. „Wir wollen verhindern, dass es so aussieht, als ob Fakten geschaffen werden.“

Mehr Zuschauer erwartet

Veronika Gromann (Grüne) kritisierte, dass aktuell versucht werde, „die Bevölkerung zu verunsichern“, konkret nannte sie dabei die Namen ihrer Kreistagskollegen Richard Arnold (CDU) und Stephanie Eßwein (CDU). Es sei ja nicht so, dass Kreisräte über Prozess nicht informiert seien. Die Möglichkeit hätten sie dazu - wie auch die Bürgerinnen und Bürger: „Ich hätte heute mehr Zuschauer erwartet“, sagte Gromann. 

Standortdiskussion zu früh

Dr. Carola Merk-Rudolph (SPD) begrüßte die Strukturgespräche, hatte aber einen eigenen Antrag dabei, weil es für eine Standortdiskussion für einen Regionalversorger zu früh sei, weil es noch keine Festlegung geben solle und weil jetzt die Bevölkerung einbezogen werden müsse. 

Für die AfD zeigte sich Dr. Frank Gläser überrascht über die Diskussion. Er sprach sich auch für die Strukturgespräche aus. Allerdings dürfe man die Menschen nicht fragen, „was wollt ihr“, sondern müsse erklären, was man vorhabe. Roland Hamm (Linke) erinnerte an den bisherigen Prozess, der offen geführt worden sei. „Ich finde eine Politik nicht in Ordnung, die nur ein 'Weiter so“ will“, sagte Hamm. Das sei Kirchturmdenken. Stattdessen riet er dazu, über den Tellerrand zu schauen, wenn man nicht wolle, dass in einigen Jahren private Anbieter die Kliniken übernehmen, die nur an ihren Profit denken.

Auch Manuel Reiger (FDP) riet zur Zustimmung. Man solle jetzt keine weichen Knie bekommen, sagte er. Volker Grab aus Ellwangen sprach als Kreisrat und sprach sich dafür aus, dass die Variante mit Erhalt der Klinik in Ellwangen und zusätzlich einer zwischen Mögglingen und Aalen zu bauenden Zentralklinik nicht aufgegeben wird. 

„Wir sind alle nicht weit von einander weg“, sagte im Anschluss Landrat Bläse. Gemeinsam mit Grab, Merk-Rudolph, Arnold und anderen formulierte er neue Anträge auf Grundlage der alten. Diese fanden letztlich Zustimmung: die Punkte 1 bis 3 einstimmig. Bei Punkt 4 gab's neun Gegenstimmen.

Das Defizit der Kliniken im vergangenen Jahr

Die Gesellschaft Kliniken Ostalb hat im vergangenen Jahr einen Verlust von knapp 20 Millionen Euro eingefahren. Zu dieser Gesellschaft Kliniken Ostalb gehören die drei Kliniken im Ostalbkreis - das Ostalbklinikum in Aalen, die Stauferklinik in Mutlangen und die Virngrundklinik in Ellwangen und zudem aber auch das Pflegeheim für Menschen im Wachkoma Bopfingen, das Medizinische Dienstleistungszentrum Aalen, das Medi-Center Schwäbisch Gmünd, das Arzt- und Therapiezentrum Ellwangen, die Immobilie Klinik am IpfBopfingen und die Zentralapotheke Mutlangen. Wie dem Jahresbericht zu entnehmen ist, entfallen auf den Jahresverlust von 19,57 Millionen Euro 19,35 Millionen Euro, die Wachkomastation in Bopfingen steht mit einem Verlust von 220 000 Euro zu Buche. Dazurechnen muss man, um den tatsächlichen Abmangel zu ermitteln noch einen Zuschuss von vier Millionen Euro, den der Landkreis den Kliniken als Strukturzulage zusätzlich bezahlt. Insofern betrug das Defizit der Kliniken Ostalb 2021 unterm Strich 23,5 Millionen Euro.

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