1. Startseite
  2. Ostalb
  3. Ostalbkreis

Remskreis, Stauferland ... und dann doch der Ostalbkreis

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Jürgen Steck

Kommentare

Die Pläne für eine Kreisreform stoßen im westlichen Teil des künftigen Ostalbkreises auf teils heftigen Widerstand. In Bargau etwa war der Zusammenschluss mit Aalen Thema beim Faschingsumzug.
Die Pläne für eine Kreisreform stoßen im westlichen Teil des künftigen Ostalbkreises auf teils heftigen Widerstand. In Bargau etwa war der Zusammenschluss mit Aalen Thema beim Faschingsumzug. Foto: privat/Kreisarchiv © privat/Kreisarchiv

Vor 50 Jahren wurde der Ostalbkreis gegründet – ein Blick auf die Zeit vor der Gründung, auf mögliche Alternativen und darauf, wie damals die Kreisgründung betrachtet wurde.

Aalen/Schwäbisch Gmünd

Wo waren wir vor 50 Jahren? Wie ist das, wenn ein Landkreis gegründet wird? Und was passiert da politisch im Vorfeld? Intensiv beschäftigt hat sich mit dieser Frage der Herr über die Archive des Ostalbkreises, Kreisarchivar Uwe Grupp. Notwendig sei diese Kreisreform gewesen, so berichtet Grupp, weil die alten, kleinen Landkreise nicht mehr in der Lage gewesen seien, anstehende Aufgaben zu erledigen. Sie seien eher Ordnungsapparate gewesen – und sollten sich zu Dienstleistern entwickeln, die die Infrastruktur im Land, in Baden-Württemberg, nach vorne bringen. Und sie sollten die Vielzahl von staatlichen Sonderbehörden ablösen. Ein Ziel war es auch, im Land gleichwertige Lebensräume zu schaffen.

Grupp berichtet zum Beispiel davon, wie der erste Plan ausgesehen hat, den sich der damalige Innenminister des Landes Baden-Württemberg, Walter Krause (SPD), für die heutige Region Ostwürttemberg ausgedacht hat. Krause hat in einem „Denkmodell zur Kreisreform“ den ersten Plan für die Ostalb vorgestellt. Darin heißt es: „Als Kreissitz wird Aalen vorgeschlagen. Aalen verfügt über eine außerordentlich günstige Verkehrslage und ist für alle Teile des Landkreises in zumutbarer Entfernung zu erreichen.“ Und der Landkreis, den sich das Land vorgestellt hätte für unseren Raum, der wäre richtig groß gewesen: „Der vorgeschlagene Landkreis setzt sich zusammen aus den Mittelbereichen Aalen, Bopfingen, Ellwangen, Heidenheim und Schwäbisch Gmünd. Sämtliche Mittelbereiche sind Teile des Oberbereichs um das im Raum Aalen anzustrebende Oberzentrum.“

Das hat heftige Reaktionen ausgelöst – insbesondere in Schwäbisch Gmünd und Heidenheim. „Das Thema war bei der Sitzung des Verwaltungsrats der Planungsgemeinschaft Württemberg-Ost wie erwartet der Anlass zu scharfen Auseinandersetzungen, vor allem zwischen Heidenheim und Aalen“, berichtet etwa die Gmünder Tagespost im Januar 1970.

Ärger in Schwäbisch Gmünd

Und in Schwäbisch Gmünd ärgert man sich, dass die Bevölkerung des Kreises nicht angehört werden soll. „Es ist nicht einzusehen, daß die Bevölkerung des Kreises Schwäbisch Gmünd nicht vorher gehört werden soll, wenn ein ganzer Landkreis nach Aalen kommen soll“, heißt es im Gmünder Kreistag bereits im Dezember 1969. Und später, in einer Resolution des Gmünder Kreistages am 24. Juli 1970: „Der Landkreis Schwäbisch Gmünd hat aufgrund seiner Einwohnerzahl, Größe und Bedeutung dasselbe Recht zum Weiterbestehen wie andere, von der Landesregierung vorgeschlagene Landkreise. Bei einem Zusammenschluss mit Aalen, wie in den Modellen vorgesehen, fordern wir den Kreissitz für die Stadt Schwäbisch Gmünd als der weitaus bedeutendsten Stadt in diesem Raum.“

Die Idee eines Remskreises

Zudem streckt man in Schwäbisch Gmünd die Fühler in andere Richtungen aus, entwickelt die Idee eines „Remskreises“, der aus dem Landkreisen Schwäbisch Gmünd und Schorndorf gebildet werden könnte, worüber die Gmünder Tagespost im Februar 1970 berichtet. Allerdings sei dies in Schorndorf auf wenig Gegenliebe gestoßen, wie Uwe Grupp sagt – dort habe man sich eher in Richtung Stuttgart orientieren wollen. Dann gab es in Schwäbisch Gmünd die Idee eines „Hohenstaufenkreises“, eines „Stauferlandes“ – mit Schwäbisch Gmünd als ältester Stauferstadt, dem Kloster Lorch, den drei Kaiserbergen, dem Hohenstaufen und Hohenrechberg. Dafür sollten die Landkreise Schwäbisch Gmünd und Göppingen zusammengelegt werden – das sei aber in Göppingen aus ähnlichen Gründen wie in Schorndorf nicht goutiert worden, berichtet Grupp.

Das Land bestimmt

Doch alles Ringen und Hoffen und auch Bevölkerungsbefragungen im Gmünder Raum haben nichts geholfen. Letztlich hat das Land am 23. Juli 1971 das Kreisreformgesetz beschlossen. Dort wurde der Ostalbkreis „mit dem Sitz des Landratsamtes in Aalen“ für das Jahr 1973 festgelegt. Ferner hieß es dort, dem Landkreis gehören alle Gemeinden des bisherigen Landkreises Aalen an, zudem vom „bisherigen Landkreis Schwäbisch Gmünd alle Gemeinden mit Ausnahme der Gemeinden Alfdorf, Maitis, Pfahlbronn und Vordersteinenberg“, vom bisherigen Landkreis Backnang die Gemeinden Altersberg, Frickenhofen und Gschwend sowie vom bisherigen Landkreis Crailsheim die Gemeinden Rechenberg und Stimpfach“.

Der Trostpreis für Gmünd

Die Bilanz aus Schwäbisch Gmünder Sicht sei seinerzeit keine gute gewesen, so das Fazit von Grupp. Rems- und Stauferkreis seien abgelehnt worden, der Kreissitz unerreichbar, Aalen sah man auf dem Weg zum Oberzentrum – und man hatte Sorgen, dass es trotz aus Aalen geäußerter Bekenntnisse zur Dezentralität in der Praxis damit nicht weit her sei. Immerhin hat man Herausgeschlagen, dass Schwäbisch Gmünd den Regionalsitz bekommt – und es hatte ja geheißen, dass die neu gegründeten Regionalverbände im Grund viel wichtiger werden als die Landkreise. Aber kommt es tatsächlich so? Oder ist das eher ein Trostpreis?  Hingegen sah man die Aalener als große Gewinner der Landkreisreform. So erklärt etwa der Schwäbisch Gmünder Oberbürgermeister Norbert Schoch später: „Gewinner der Landkreisreform war – nach dem Willen von Stuttgart – Aalen und Verlierer die Stadt und der Raum Schwäbisch Gmünd (…) Es darf und muss aber auch gesagt werden, dass die Landräte des neu geschaffenen Ostalbkreises, Wabro, Dr. Winter und Pavel bestrebt waren und sind, das Zusammenwachsen des Ostalbkreises bestmöglich zu unterstützen (…) Dass die Entscheidungen aber heute in Aalen fallen, ist Tatsache.“

Keine Ideallösung

Der ehemalige Landrat von Aalen, Anton Huber, formulierte es diplomatischer: „„Wenn ich mich heute an die Kreisreform zurückerinnere, dann kann ich nur feststellen, dass es eine schwierige Zeit war. Schwierig, weil es Einschnitte in gewachsene Strukturen geben musste und es keine Ideallösungen geben konnte.“

Wie auch immer: 1972 gingen die Kreisverordneten – so hießen die Kreisrätinnen und Kreisräte damals – auf eine gemeinsame Erkundungsfahrt durch den künftigen Landkreis und trafen sich zum Austausch in der damals recht neuen Stadthalle in Heubach. „Und es stellte sich schnell heraus: Sorgen gibt‘s an Kocher und Jagst nicht weniger als an Rems und Lein (…) Die meisten glaubten zwar, den Nachbarkreis ziemlich genau zu kennen, abends in Heubach wurde dennoch allenthalben bestätigt, daß dies doch nicht ganz stimmte“, so schrieb es seinerzeit Erwin Hafner für die Schwäbische Post auf und weiter: „„Jeder hatte von der Besichtigungsfahrt profitiert. Und schneller, als man geglaubt hatte, kamen sich die Kreisverordneten näher. Bei einem guten Tropfen, versteht sich. (…) so wurde es in der Heubacher Stadthalle immer wieder laut geäußert: Wir werden versuchen, einander zu verstehen und vertrauensvoll zusammenzuarbeiten. Konnte man mehr von diesem ersten Zusammentreffen erwarten?“

Große Themen angepackt

Im neuen Landkreis ging man große Themen an. Berufliche Schulen und sonderpädagogische Einrichtungen kamen auf den Weg. Das Gesundheitswesen wurde neu aufgestellt. Der Straßenbau vorangetrieben.  Gemeinsame Mobilitätskonzepte entwickelt. Das Sozialwesen neu aufgestellt. Und, und, und. Ja, das Thema Müll: Rund 180 Müllplätze, teils ziemlich wilde, habe es vor der Reform gegeben in der Region, berichtet der Kreisarchivar. Auch in diesem Bereich hat sich der Landkreis neu aufgestellt.

Das GD-Schildle

Bitter war für die Schwäbisch Gmünder halt die Geschichte mit dem Autokennzeichen. Denn statt einem „GD“ sollten Fahrzeuge ab 1973 ein „AA“ im Schilde führen. So gab es eine große Initiative mit dem Oberbürgermeister Norbert Schoch an der Spitze, die formulierte: „GD muss bleiben!“ Und sogar in Aalen gab’s dafür Unterstützung: „Der Verlust der Selbstständigkeit traf dort die empfindlichste Stelle jedes Schwaben: sein Heiligsblechle. Zumindest in diesem Punkt zeigten wir Aalener für die Gmünder Verständnis, die ihren Protest unter der Parole ‚GD muss bleiben‘ durch die Lande fuhren“, schrieb Erwin Hafner später.

Moderatere Töne

Moderatere Töne kamen erst ein Vierteljahrhundert später von Norbert Schoch, der sagte: „Seit 1. Januar 1973 gibt es nicht nur ein gemeinsames Landratsamt im Ostalbkreis, sondern auch ein gemeinsames Autokennzeichen AA. Man hat sich in 25 Jahren weitgehend daran gewöhnt. Das Leben ist weitergegangen.“  

40 Jahre später dann, im Februar 2013, gab es auf Initiative des Schwäbisch Gmünder Oberbürgermeisters Richard Arnold wieder das GD-Kennzeichen – und er war einer der ersten, der sich ein GD-Schildle ans Auto montieren ließ: „GD – OB 1“ lautet von da an Arnolds Kennzeichen. Mittlerweile haben ein gutes Fünftel der Fahrzeuge im Ostalbkreis das „GD“-Kennzeichen.

Neues Heimatgefühl

Alles gut also mittlerweile? Man wird sehen. Es gibt sie weiter, die Animositäten, die Rivalitäten, die mal hindern beim Blick aufs Wesentliche, mal aber auch Ansporn sind. Zumindest schrieb ein Journalist aus Schwäbisch Gmünd im vergangenen Jahr: „Wenn ich vom Nordseeurlaub über die A 7 zurückkomme und bei Westhausen die Autobahn verlasse, dann sehe ich die Kapfenburg, den Ellwanger Windpark, den Aalener Fernsehturm, und denke dann: So jetzt bin ich daheim – obwohl ich erst in Aalen bin. Vor 30 oder 40 Jahren wäre das Heimatgefühl nie so ausgeprägt gewesen.“

Klaus Pavel, Landrat von 1996 - 2022
Klaus Pavel, Landrat von 1996 - 2022 © privat/LRA
Landrat seit 2020
Landrat seit 2020 © privat/LRA
Gustav Wabro (Landrat von 1973 bis 1980)
Gustav Wabro (Landrat von 1973 bis 1980) © privat
Dr. Diethelm Winter (Landrat von 1980 bis 1996)
Dr. Diethelm Winter (Landrat von 1980 bis 1996) © privat/LRA
Die konstituierende Sitzung des neuen Kreistages im Ostalbkreis am 17. Mai 1973, geleitet vom ersten Landrat, Gustav Wabro (am Rednerpult).
Die konstituierende Sitzung des neuen Kreistages im Ostalbkreis am 17. Mai 1973, geleitet vom ersten Landrat, Gustav Wabro (am Rednerpult). Fotos: privat/LRA/Kreisarchiv © privat/Kreisarchiv

Auch interessant

Kommentare