- VonBea Wieseschließen
So mobil wurde die Ostalb in den fünf Jahrzehnten seit Gründung des Landkreises. Was auf der Strecke blieb und wieso die Ostälbler heute durchschnittlich 16 Mal am Tag zum Mond fahren.
Aalen
Benzinpreis explodiert: Bald 1 Mark! - Die Schlagzeile der Bild-Zeitung aus dem November 1973 hat heutzutage echten Unterhaltungswert. Nicht wenige dürften sich nach diesen Zeiten zurücksehnen. Auf der Ostalb vielleicht mehr als anderswo, gibt es doch hierzulande mehr Haushalte mit Auto als im bundesweiten Durchschnitt, hat Ingo-Benedikt Gehlhaus, Leiter des Geschäftsbereichs Nachhaltige Mobilität im Ostalbkreis, herausgefunden.
Er hat eine interessante Zeitreise unternommen: Zum Jubiläum „50 Jahre Ostalbkreis“ hat er sich mit der Mobilität auf der Ostalb über fünf Jahrzehnte beschäftigt. Herausgekommen ist ein unterhaltsamer Exkurs mit viel Nostalgie, manchem Meilenstein und erstaunlichen Zahlen und Fakten.
Schiene: „Zunächst ist es eine Schrumpfungsgeschichte“, konstatiert Gehlhaus. Insbesondere in den 1970er und 1980er Jahren wurden viele Eisenbahnstrecken auf der Ostalb stillgelegt: die Schättere 1972, die Heubachbahn 1976, die Klepperle-Strecke 1984 und 2001 schließlich die Obere Kochertalbahn von Gaildorf nach Untergröningen. Auf den Strecken, die übrig blieben, gab es erst ab etwa 2019 deutlich mehr Verbindungen.
Straßen: Der Bau der A7, und dass der Ostalbkreis damit 1987 an das Autobahnnetz angeschlossen wurde, war „ein Jahrhundertwerk“ für die Region, ist Gehlhaus überzeugt. Meilensteine nennt er die Umfahrungen Mutlangen, Lauchheim, die Westumgehung Aalen, den Einhorntunnel in Schwäbisch Gmünd oder die Umgehung von Mögglingen. Gehlhaus: „Wenn man Erfolg in Wachstum misst, dann ist das eine Erfolgsgeschichte.“
B29: Ein echter Dauerbrenner über fünf Jahrzehnte hinweg. Bei der Recherche für seinen Vortrag fand der „oberste Mobilitätschef“ des Ostalbkreises unzählige Fotos und Veröffentlichungen von Protesten und Kundgebungen für einen vierspurigen Ausbau dieser Verkehrsachse mitten durch die Region.
Immer mehr Autos: Die Zahl der Autos im Landkreis hat sich seit 1973 fast verdreifacht – von 72 000 im Jahr 1973 auf 209 000 im vergangenen Jahr. Auf jeden Ostalb-Haushalt kommen 1,6 Pkw (deutschlandweit: 1,4) – aber von 130 000 Haushalten im Kreis haben dagegen 30 000 gar kein Auto. Um knapp drei Prozent ist die Ostalb-Bevölkerung seit 2012 gewachsen – ihr Pkw-Bestand aber um fast 20 Prozent. Schmankerl am Rande: Die beliebteste Farbe fabrikneuer Pkw ist Silber, „das lässt sich immer noch am besten weiterverkaufen“, schmunzelt Gehlhaus.
Wie nutzen die Ostälbler das Auto? Täglich im Schnitt 45 Minuten lang – für etwa 30 Kilometer pro Tag, so die Statistik. Gehlhaus: „Die Ostalb fährt somit durchschnittlich 6,27 Millionen Kilometer am Tag, also rund 16 Mal zum Mond.“ 20 Prozent aller Fahrten sind kürzer als zwei Kilometer, die Hälfte nur höchstens fünf Kilometer weit. Vier von zehn im Ostalbkreis gemeldeten Autos werden am Tag gar nicht bewegt, hat der oberste Verkehrsplaner des Ostalbkreises in den Statistiken entdeckt.
Verkehrssicherheit: Seit 1973 verunglückten im Ostalbkreis über 1700 Menschen im Straßenverkehr tödlich. Anders als die Autozahl geht diese Zahl aber kontinuierlich zurück: 1973 waren es noch 86, im Jahr 2021 nur noch 15 Verkehrstote. Bessere Autos, bundesweite Gurtpflicht, sinkende Promille-Grenzen, verschärfte Bußgeldkataloge, auf der Ostalb neue Technik wie der Laser-Blitzer in Westhausen (seit 2017) oder das Fifty-fifty-Taxi mit etwa 300 Fahrten je Wochenende für Jugendliche – vieles trug dazu bei, dass Unterwegssein mit dem Auto sicherer wurde.
Der ÖPNV: 22 Millionen Fahrgäste nutzen im Ostalbkreis jedes Jahr Bus und Bahn. Gehlhaus: „Wir wollen diese Zahlen bis 2030 verdoppeln.“ Bedeutsam sei die Gründung des Verbunds „OstalbMobil“ 2007 gewesen, „nur noch ein Fahrschein über Gemeindegrenzen hinweg – das war ein echter Durchbruch.“ Um die Ticketpreise in der jüngsten Energiekrise stabil zu halten, schoss der Landkreis aus seinem Etat 1,4 Millionen Euro Dieselhilfe an die Busunternehmen dazu. Gehlhaus: „Allerdings nutzen 45 Prozent der Ostälbler nie den Bus.“ Wie in Gründungszeiten des Ostalbkreises sind es vor allem Fahrschüler und Berufstätige, die mit Bussen überwiegend vom Land in die Stadt pendeln.
Rad fahren: „Das boomt auf der Ostalb“, stellt Gehlhaus fest. Statistisch hat fast jeder Ostälbler ein Fahrrad, durchschnittlich fährt er 1,4 Kilometer damit am Tag. Fast die Hälfte aller verkauften Räder waren 2021 elektrisch. Zu Fuß geht der durchschnittliche Ostälbler immerhin täglich fast eine halbe Stunde.
Mobilität der Zukunft: Auto fahren hat in mancherlei Hinsicht seinen Preis. Ein Aspekt: Im Ostalbkreis werde jeden Tag durchschnittlich 150 Quadratmeter Fläche – etwa ein Fünftel eines Fußballfeldes - in Straßen oder Parkplätze umgewandelt. Denn die Autos würden nicht nur mehr, sondern auch größer und bräuchten damit mehr Platz, sagt der studierte Geograf Gehlhaus. Ein Drittel der Fahrzeuge, die im Ostalbkreis neu angemeldet werden, hat Elektroantrieb. Das hänge mit den vergleichsweise vielen Firmenfahrzeugen auf der Ostalb zusammen, so Gehlhaus. Auch in Zukunft wird der private Pkw eine wichtige Rolle spielen, ist er überzeugt. Vielleicht stufenweise autonom fahrend. Ob er allerdings ab 2035 verbrennungsmotorenfrei sein wird, steht wohl in den Sternen.
Lesen Sie dazu:
Überraschende Erkenntnisse: Eine Glosse von Bea Wiese: