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"Zwischen den Jahren" ist alles möglich

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Von: Gerhard Königer

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Magisch sollen die Nächte zwischen Heiligabend und Dreikönig sein.
Magisch sollen die Nächte zwischen Heiligabend und Dreikönig sein. © Königer, Gerhard

Was alles in den zwölf Raunächten angeblich nicht mit rechten Dingen zugeht und warum man sich dem Aberglauben kaum entziehen kann.

Ellwangen

Zwischen Heiligabend und dem Dreikönigstag (6. Januar) liegen die 12 Raunächte, nach alter Überlieferung eine "magische Zeit", in der sich übersinnliche Dinge zutragen konnten, weil sie "zwischen den Jahren" liegen. Tatsächlich geht der Gedanke der Raunächte wohl auf die zeitliche Differenz zwischen dem Sonnenkalender und dem Mondjahr zurück. Wer über eine längere Zeit nach dem Mond leben will, dem fehlen pro Jahr elf Tage, (beziehungsweise 12 Nächte), die er einschieben muss, damit sein Kalendarium nicht von Jahr zu Jahr immer mehr durcheinander kommt.

Die zwölf Raunächte wurden zwischen 25. Dezember und 6. Januar eingeschoben, in manchen Regionen auch zwischen der Thomasnacht (20./21. Dezember, längste Nacht des Jahres) und dem Neujahrstag. Wie vieles, das im magischen Denken wurzelt, leben auch Bräuche der Raunächte in den aufgeklärten Gesellschaften der Moderne weiter. Zum Beispiel das Knallen in der Silvesternacht, das man heute als freudige Begrüßung des neuen Jahres betrachtet. Tatsächlich dürfte der Brauch des Silvesterkrachers aber durchaus auch auf die Vertreibung der bösen Geister der Raunächte zurückgehen.

Die Zeit steht still

Zwischen dem 24. Dezember und dem 6. Januar scheint es auch heute manchmal noch, als ob die Zeit stillstehen würde. Viele Behörden haben geschlossen, Unternehmen haben Betriebsferien, Fabriken produzieren nicht. Regierungen, Parlamente und Gemeinderäte tagen nicht. Weil sowieso alle in Urlaub sind oder weil sie fürchten, ihre Entscheidungen könnten in den Raunächten nach hinten losgehen?

Das Wilde Heer

Am 28. Dezember feiert die katholische Kirche das Fest der "unschuldigen Kinder", erinnert an die Neugeborenen, die König Herodes laut dem Evangelium auf der Suche nach dem neugeborenen König umbringen ließ. Die grausame Tat passt so richtig in die Vorstellung der Raunächte, die allen Menschen Tod und Verderben bringen können. Beispielsweise durch das "wilde Heer", auch "Wotans Heer", das ab der Silvesternacht durch die Lüfte saust. Mit unheimlichen Geräuschen, Stimmen aus dem Nichts, Lichterscheinungen verkündet es baldigen Tod und Unheil oder sogar einen wirklichen Krieg. Das "wilde Heer", mancherorts auch als "wilde Jagd" bezeichnet, konnte arglose Menschen, die ihm begegneten, in die Irre oder gar in den Tod treiben. Man vermied es deshalb, in den Raunächten draußen unterwegs zu sein und blieb lieber zuhause. Legenden zum "Wilden Heer" kennt man auf der Ostalb beispielsweise aus Jagstzell und Röhlingen. In beiden Ortschaften treten zur Fasnacht entsprechende Brauchtumsgruppen auf.

Zauberer und Wahrsager

In den "magischen Nächten" waren die Menschen besonders offen, Unheimliches oder Übernatürliches zu glauben. Zauberer, Hexen, Teufel und Dämonen sollen in den Raunächten aktiv sein mit all dem fürchterlichem Unheil, das sie jedem anhexen und anzaubern können. Andererseits waren die Tage auch günstig, um einen Blick in die Zukunft zu werfen. Traumdeuterei, Orakel und Wahrsagen schienen in den Raunächten besonders glaubhaft. Beispielsweise sollen junge Frauen in den Raunächten ihren künftigen Bräutigam sehen können, Tiere sollen sprechen können. Das Wetter in den zwölf Nächten soll für das Wetter des gesamten kommenden Jahres stehen, weshalb sich manche genau aufschreiben, wann es zwischen Heiligabend und Dreikönig regnet, stürmt oder die Sonne scheint. Auch die Tradition des Bleigießens in der Silvesternacht lässt sich so erklären.

Keine Wäsche waschen

Zwischen Weihnachten und Neujahr wird in manchen Haushalten darauf verzichtet, die Wäsche zu waschen, mitunter ohne genau sagen zu können, weshalb. Tatsächlich war es vor allem das Aufhängen der Wäsche, das man zu vermeiden suchte. Denn der Aberglaube sagt, dass sich in der Wäsche das wilde Heer verfangen könnte. Aufgehängte Unterröcke könnten den Besitzerinnen Unheil bringen. Man fürchtete auch, ein Leintuch würde in den Raunächten genommen und im neuen Jahr als Leichentuch zurückgeschickt.

Räuchern am Dreikönigstag

Am Dreikönigstag jedoch, wenn die Raunächte um sind, soll man das Haus lüften, putzen, räuchern, um böse Geister und schlechte Gerüche zu verjagen und die Wohnung so für das neue Jahr zu reinigen. Ob die Weihrauchgabe der Sternsingergruppen mit diesem Brauch zusammenhängt, darüber kann man sich trefflich streiten. Unbestritten hat die katholische Kirche mit Feiertagen und christlichen Bräuchen schon immer versucht, heidnische Rituale und Aberglauben zu verdrängen.

Eine Postkarte zeigt den Flug des Wilden Heeres mit der Burg Rodenstein (Odenwald) im Hintergrund: "Hundsgebell und Rosseschnauben füllt die Nacht am Rodensteine, Hu, des wilden Heeres Lärmen johlt im bleichen Mondenscheine, uhuaugen, totenschädel grinsen aus den Mauerritzen, Heim zur Ruh im Schnellertsberge ziehn die Geister unter Blitzen.
Eine Postkarte zeigt den Flug des Wilden Heeres mit der Burg Rodenstein (Odenwald) im Hintergrund: "Hundsgebell und Rosseschnauben füllt die Nacht am Rodensteine, Hu, des wilden Heeres Lärmen johlt im bleichen Mondenscheine, uhuaugen, totenschädel grinsen aus den Mauerritzen, Heim zur Ruh im Schnellertsberge ziehn die Geister unter Blitzen. © privat
Die Nächte zwischen Heiligabend und Dreikönig haben für manche auch heute noch magische Bedeutung. Das zeigt ein Blick ins Internet, wo man eine Vielzahl entsprechender Inhalte findet.
Die Nächte zwischen Heiligabend und Dreikönig haben für manche auch heute noch magische Bedeutung. Das zeigt ein Blick ins Internet, wo man eine Vielzahl entsprechender Inhalte findet. © Königer, Gerhard
Magisch sollen die Nächte zwischen Heiligabend und Dreikönig sein.
Magisch sollen die Nächte zwischen Heiligabend und Dreikönig sein. © Königer, Gerhard

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