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Ein Supermarkt, in dem Politik verboten ist

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Von: Bernd Müller

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Inhaber Johann Schlosser im EuroS-Markt in Heubach.
Inhaber Johann Schlosser im EuroS-Markt in Heubach. © HOJ

Ein Heubacher Geschäft, in dem sich Ukrainer und Russen täglich begegnen: Wie Inhaber Johann Schlosser nach einem Jahr Krieg den Frieden in seinem Geschäft aufrechterhält.

Heubach

Russen kaufen unter anderem hier ein, Ukrainer, russischstämmige Deutsche. Im EuroSmarkt in Heubach zeigt sich der Krieg dadurch, dass er sich nicht zeigen darf. „Politik ist verboten“, das hat Johann Schlosser seinen Mitarbeiterinnen „von Anfang an“ als Regel mitgegeben.

Anders lässt sich der Alltag in seinem Geschäft, das viele Spezialitäten aus Osteuropa im Angebot hat, nicht handhaben. Davon ist der Geschäftsinhaber, der selbst vor über 30 Jahren als Jugendlicher aus Russland nach Heubach gekommen ist, überzeugt. „Ich muss ja neutral bleiben“, hatte Schlosser schon am ersten Tag des Ukraine-Kriegs gesagt, als die Gmünder Tagespost ihn gesprochen hatte. Seitdem zieht er diese Linie durch in seinem Geschäft. „Ohne diese Neutralität wäre es bestimmt schwierig, diese Position muss ich in Zukunft weiterhin halten.“

Dass die sehr verschiedenen Sichtweisen auf den Krieg in der Ukraine, die es in Deutschland, in Europa, auf der Welt gibt, auch in seinem Laden vorkommen, ist Schlosser bewusst. „Es gibt solche und solche“, sagt er schlicht, einen Teil seiner Kundschaft sieht er „sehr beeinflusst von Propaganda“. Aber es habe keinen Sinn, „wenn man jemand etwas beweisen will“.

"Jeder möchte Streit vermeiden"

Was Schlosser seinen Beschäftigten vorgegeben hat, das tun, so ist seine Erfahrung, die Kunden wie von selbst: die Themen Krieg und Politik vermeiden. „Jeder versteht, dass es zum Streit kommen kann, und jeder möchte das vermeiden.“

Vor einem Jahr, als Russland seinen Überfall auf den Nachbarstaat begann, hatte Johann Schlosser auch eine Mitarbeiterin aus der Ukraine. Inzwischen ist eine zweite hinzugekommen, erzählt er: eine Frau, die vor dem Krieg hierher geflohen ist. Dass sie in Deutschland nicht von staatlicher Hilfe leben wollte, sondern schnell arbeiten, imponiert Schlosser. „Sie will selbst auf den Beinen stehen.“

Das Schicksal der Geflüchteten ist an der russischen Community nicht spurlos vorübergegangen. Das habe auch Leute zum Nachdenken oder Umdenken gebracht, die eher pro-russisch gewesen seien, erzählt der Geschäftsinhaber. Was er auch erlebt, ist die zerstörerische Kraft, die der Krieg auch in Familien und zwischen Freunden hat – wenn die Meinungen auseinandergehen. „Es gibt viele Familien, die darunter leiden, da gibt es große Probleme.“ Schlosser ist froh, dass es bei ihm anders ist, „Gottseidank“ seien seine Frau und er sich einig. „Für uns ist es einfach in der Familie: Meine Frau und ich halten nichts vom Krieg. Wir können das nicht unterstützen, dass die Russen angegriffen haben.“

"Für mich unverständlich"

Immerhin sind Schlosser und seine Mitarbeiter bisher von Todesnachrichten von Verwandten verschont geblieben. Aber einen guten Freund hat Johann Schlosser auf andere Art verloren, nachdem der Krieg angefangen hatte. „Der ist zurückgefahren, er lebt und arbeitet jetzt in Nowosibirsk – nachdem er 24 Jahre in Deutschland gelebt hat.“ Jetzt sei für ihn die Zeit, dass er für die Russen arbeite, das sei dessen Begründung gewesen, erzählt Schlosser. „Das ist mir schon schwergefallen, dass er einfach das Land verlassen hat, es ist für mich unverständlich.“

Ein bisschen Kontakt gibt es noch: An Weihnachten hat er mit seinem Freund Wünsche zum Fest ausgetauscht, erzählt Johann Schlosser. Über Politik und den Krieg habe man nicht geredet.

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