- VonAnke Schwörer-Haagschließen
Wie die Gegner der Geschwindigkeitsreduzierung argumentieren. Wie lange die Anordnung andererseits schon gefordert wird. Und was die Entscheidung wohl beschleunigt hat.
Leinzell
Um die Mittagszeit sind es am Montag 349 Unterstützer, die Kevin Bader für seine Petition gegen Tempo 30 in der Leinzeller Ortsdurchfahrt gewonnen hat - wobei 70 davon direkt aus Leinzell seien, schreibt er. Und ergänzt: Bei „einem langen und freundlichen Telefonat“ mit Ralph Hartl, einem der Anwohner, sei ihm bewusst geworden, dass deren Initiative sich 2018 lediglich auf die Sanierung der Gögginger Straße bezogen habe. Es sei von diesen Anwohnern zu keiner Zeit Tempo 30 gefordert worden. Die Petition werde auch von den Initiatoren der Sanierung unterstützt, da diese sich übergangen fühlten.
Wann und vor allem wer Tempo 30 und die Erweiterung der Aktion auf die Brainkofer und die Mulfinger Straße veranlasst hat, ist für Kevin Bader nun die große Frage. Und warum man die Kosten einer Umwandlung in eine Tempo-30-Zone nicht für die Sanierung verwende, will er wissen.
In seiner Petition führt Kevin Bader als „rechtliches“ Argument im Übrigen an, dass nach Paragraf 45 Absatz 1c der Straßenverkehrsordnung eine Tempo-30-Zone nicht auf Straßen des überörtlichen Verkehrs ausgewiesen werden dürfe. Betroffen seien in Leinzell aber die Landesstraße 1075 sowie 1175. Ausgenommen seien zudem sämtliche mit dem Zeichen 306 versehenen Vorfahrtsstraßen. Neben der Kreuzung am Rathaus, an welcher die Mulfinger Straße in eben solch eine Vorfahrtsstraße münde, spiele dieses Zeichen 306 nachfolgend noch eine weitere Rolle: Werde Tempo 30 umgesetzt, müssten diese, rein rechtlich, entfernt werden und die Straße würde sich in rechts vor links verwandeln. „Das wäre unzumutbar“, findet Kevin Bader.
Das Lärmschutzgutachten, das dem Landratsamt und dem Regierungspräsidium vorliege, hat seiner Ansicht nach bei diesem Durchgangsverkehr keine große Relevanz. Lkw, Busse und größere Fahrzeuge müssten bei Tempo 30 in kleinere Gänge schalten. Die daraus resultierenden Drehzahlen trügen nicht nur Lärmminderung bei, argumentiert er. Fürchtet außerdem, dass unerwünschter Schleichverkehr durch Wohngebiete entstehe, weil die Einmündung in die Kolonne der 30-Kilometer Fahrenden schwieriger werde und sich in den Seitenstraßen Staus bildeten. Im Bereich der Schadstoffreduzierung spiele die 20-km/h-Differenz nach seiner Kenntnis dagegen „absolut keine Rolle“.
Es gibt aber durchaus Leinzeller, die nicht seiner Meinung sind: Heike Hilbig erinnert sich an eine Zusammenkunft vor rund 15 Jahren vor dem Leinzeller Schloss, als dessen damaliger Eigentümer Wickleder und eine Gruppe von Bürgern sich die Temporeduzierung dringend gewünschte hatten - auch um die gefährliche Stelle am Zebrastreifen vor dem Kreisel zu entschärfen. Oft könne man in Leinzell ohnehin nicht schneller fahren, erlebt sie. Und auch, dass in anderen Städten und Ortschaften an gefährlichen Knotenpunkten das Tempo längst auf 30 km/h reduziert werde.
Wie die Forderung nach Tempo 30 zustande kam? Bürgermeister Marc Schäffler sagt, dass in seiner Amtszeit bei Gemeinderatssitzungen, Bürgerdialogen und in Sprechstunden in Bezug auf die Ortsdurchfahrt nie eine andere Forderung aufgekommen sei. Mit Verwunderung habe er deshalb auf den entsprechenden Hinweis festgestellt, dass die Initiative der Familie Hartl sich tatsächlich nur auf die Sanierung der Straße bezogen habe.
Dass Tempo 30 vom Land angeordnet wurde, erklärt Schäffler sich so: Das Lärmgutachten habe eine unzulässige Belastung nachgewiesen. Das Land sei deshalb gezwungen, unverzüglich zu handeln. Da habe die Gemeinde auch gar kein Mitspracherecht. Da es für eine Sanierung der Straße bislang weder eine kurz- noch eine mittelfristige Planung gebe, sei die Geschwindigkeitsbeschränkung wohl die schnellste Möglichkeit, die Anwohner zu entlasten. Die Schilder samt Aufstellung bezahle im Übrigen nicht die Gemeinde, sondern das Land.
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