Das Doppelleben des VfR-Profis Vico Meien

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Doppelleben: Vico Meien (links / mit Kapitän Alessandro Abruscia) ist Fußballprofi beim VfR Aalen, parallel dazu studiert er Jura an der Uni Hannover. Derzeit absolviert er ein Praktikum beim Amtsgericht Aalen.
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Beim VfR Aalen geht der 24-Jährige als Führungsspieler voran. Parallel dazu studiert er Jura und absolviert ein Praktikum beim Amtsgericht: „Die VfR-Akte kenne ich aber nicht.“

Aalen

Beim VfR Aalen war am Vormittag trainingsfrei. Zeit zum Regenerieren. Und zum Entspannen. Nicht für Vico Meien. Der 24-Jährige hat die freie Zeit beim Amtsgericht in Aalen verbracht - als Praktikant. Denn: Parallel zum Profifußball ist er an der Universität Hannover eingeschrieben. Meien studiert Jura. „Zehn bis zwölf Stunden pro Woche büffele ich im Schnitt fürs Studium.“

Vico Meien ist bei den Verhandlungen mit ihm Saal. Hört zu, wendet für sich Paragrafen an und bespricht sich hinterher mit der Richterin. So sehen die Tage des Profifußballers am Amtsgericht Aalen aus. Der 24-jährige Jurastudent bekommt einen tiefen Einblick in den dortigen Alltag. „Das ist sehr spannend, weil man es ständig mit neuen Fällen zu tun hat.“ Nur eine Akte, die kennt er nicht: die Akte „VfR Aalen“ zur Insolvenz. „Das ist in beiderseitigem Interesse das Beste“, sagt er diplomatisch.

Es ist eine der Eigenschaften, die den Blondschopf auszeichnen. Vico Meien ist keiner, der große Töne spuckt. Er ist eher zurückhaltend, vielleicht sogar „norddeutsch unterkühlt“, wie der in Bergen auf Rügen geborene Fußballer sagt. Und er hat einen ausgesprochenen Sinn für Gerechtigkeit. Meien erinnert sich an ein Jugendspiel mit seinem früheren Verein Hansa Rostock, als er sich in einem Entscheidungsspiel gegen Hertha BSC Berlin ungerecht behandelt gefühlt hat. „Damals habe ich mich dafür eingesetzt, dass alles aufgeklärt wird“, erzählt er. Und vielleicht ist das auch der Grund dafür, weshalb er sich für diesen Beruf entschieden hat. Meien begann nach dem Abitur (Schnitt: 2,7) mit einer Ausbildung zum Steuerfachgehilfen. Danach folgte das Jurastudium. „Meine Mutter Annett und mein Vater Henry haben mir immer alles ermöglicht, aber sie haben auch großen Wert auf eine 'vernünftige' Ausbildung gelegt.“ Aber: „Ich mache das nicht wegen meinen Eltern, zumal die überhaupt keine Verbundenheit zu diesem Job haben.“ Vico Meien hat seine eigene Leidenschaft für sein Studium entwickelt, das „sehr spannend ist, weil jede Klausur einen Fall bearbeitet“. Und er ist gut. Das Hauptstudium hat er hinter sich, Anfang 2024 will er das 1. Staatsexamen ablegen.

Eine WG mit Stefan Wächter

Und wovon träumt der Defensivspezialist nach seiner Kicker-Karriere? „Mich interessiert das Steuerrecht. Außerdem könnte ich mir vorstellen, als Jurist im Bereich Fußball zu arbeiten. Quasi das Hobby zum Beruf machen.“

Dass Vico Meien seinem Hobby Fußball heute auf der Ostalb nachgehen kann, liegt auch daran, dass er beim Studium keine Präsenzpflicht hat. „Ich kann alles von Aalen aus erledigen.“ Hier lebt Meien in einer WG mit Teamkollege Stefan Wächter, der für ihn inzwischen zum Freund geworden ist. Dass sich sein Kumpel ausschließlich auf den Fußball konzentriert, ist für den Studenten kein Problem. „Ich habe trotzdem noch genügend Freizeit. Außerdem bin ich nicht der einzige Student in der Mannschaft. Michael Schaupp beispielsweise studiert an der Hochschule Aalen.“ Seine freie Zeit verbringt Meien gerne mit anderen. „Ich mag die Leute hier, sie geben mir ein positives Lebensgefühl. Vor allem die Helferstraße in der Innenstadt finde ich cool“, sagt der 24-Jährige, der erstmals im Süden Deutschlands lebt. Seine vorige Wahlheimat Hannover habe zwar „mehr zu bieten“ gehabt, aber „Aalen ist klein und fein“.

Und was wünscht sich der Mittelfeldspieler sportlich? „Ich habe zwei Ziele: den Nicht-Abstieg und den WFV-Pokalsieg.“ Um den Klassenerhalt mache er sich keine Sorgen, weil „wir definitiv gut genug sind“. Und ein Pokalsieg, das sei „ein geiles Gefühl“. Ganz nebenbei bringt der Einzug in den DFB-Pokal auch eine stattliche Summe für den erneut insolventen Verein.

Das Thema beschäftigt natürlich auch den angehenden Juristen. Und der sieht es entspannt: „Klar, ich war am Anfang sehr überrascht, weil es im Sommer keinerlei Anzeichen dafür gab. Aber ich habe den Eindruck, dass es hier weitergeht.“ Damit kann sich Vico Meien auch weiter seinem Doppelleben widmen.

„Für mich ist das eine Challenge. Wenn ich das schaffe, bin ich sehr stolz auf mich.“

Vico Meien: Von der Ostseeküste auf die Ostalb

Vico Meien ist in Bergen auf Rügen geboren. Der VfR Aalen ist für den 24-Jährigen der erste Verein in Süddeutschland.

Ausgebildet wurde Meien zunächst bei Hansa Rostock, ehe er 2016 in die U19 von Holstein Kiel wechselte.

Als Aktiver trug der Defensivspieler zunächst das Trikot von Eintracht Norderstedt. Nach zwei Jahren zog es Meien am 30. August 2019 weiter zum TSV Havelse, mit dem er 2021 den Aufstieg in die 3. Liga schaffte, in der ersten Saison jedoch wieder abstieg. Nach dem Abstieg wechselte er im Sommer 2022 zum VfR Aalen.

Für die Ostälbler hat Meien bislang 19 von 20 Regionalligaspiele absolviert. Er fehlte nur bei der höchsten Saisonniederlage (0:5 bei Barockstadt Fulda) wegen einer Gelbsperre.

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