Verlierer des EU-Austritts

„Abgeschnitten von der Welt“: Brexit trifft eine Insel besonders hart - London ist es egal

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Die Folgen des Brexit sind noch nicht ganzheitlich absehbar. Es wird aber bereits deutlich, wie stark Großbritanniens EU-Austritt ein Land treffen könnte, das von den Briten nahezu völlig ignoriert wird.

  • Großbritannien ist seit 1. Februar kein EU-Mitglied mehr.
  • Das Vereinigte Königreich befindet sich nach dem Brexit* in einer Übergangsphase - wie es konkret weitergeht, muss erst noch geklärt werden.
  • In den Verhandlungen wird eine Insel Land nahezu vollends außen vor gelassen - was verheerende Folgen nach sich ziehen könnte.

München - In Zeiten des Coronavirus* geraten andere Themen auf der politischen Agenda schnell in den Hintergrund. Das gilt auch für die Verhandlungen rund um den Brexit, bei denen ein Land ohnehin nahezu völlig vergessen wird. Was in Ausnahmesituationen nachvollziehbar scheint, ist unter normalen Umständen für die Bewohner schlicht eine Katastrophe. 

Brexit: EU-Austritt Großbritanniens trifft ein Land besonders hart - doch London ist es egal

Seit 1. Februar ist Großbritannien offiziell kein EU-Mitglied mehr*, bis mindestens Ende 2020 gilt aktuell eine Übergangsphase*, in der sämtliche Regelungen für die Zeit nach dem Brexit* getroffen werden. 

In diesen Verhandlungen geht es neben wirtschaftlichen Interessen auch um das Leben an den Grenzgebieten vom nicht zum Vereinigten Königreich gehörenden Irland oder Gibraltar. Andere britische Überseegebiete werden dabei regelrecht vergessen, was nicht nur daran deutlich wird, das die dortige Bevölkerung nicht am Referendum* teilnehmen durfte. Wie sehr der Brexit diese kleinen Gebiete trifft, wird am Beispiel Anguilla deutlich.

Die Insel Anguilla liegt in der Karibik und zählt neben Gibraltar, Bermuda oder den Caymaninseln zu insgesamt 14 britischen Überseegebieten. Für die rund 15.000 Bewohner interessiert man sich im mehr als 6.500 Kilometer entfernten London jedoch kaum. Mehrere Anfragen der Regierung von Anguilla für die Zeit nach dem Brexit blieben bisher unbeantwortet. Kritikern zufolge ist Anguilla den Briten wenn überhaupt als Steuerparadies bekannt. 

Brexit und die Folgen für Anguilla: Insel auf grenznahe EU-Territorien angewiesen

Dabei trifft der EU-Austritt Großbritanniens die kleine Insel hart, wie Manuela Boatca, Professorin an der Universität Freiburg, gegenüber dem Katapult-Magazin (Ausgabe April/Juni 2020) erklärt. Die Insel grenzt über den Anguilla Kanal an Überseegebiete Frankreichs und den Niederlanden. Von diesen sei Anguilla schlichtweg abhängig. 

Der Warenverkehr von Baumaterial bis hin zu Trinkwasser werde nahezu vollständig über den Flughafen der niederländischen Insel Sint Maarten sowie  den französischen Teil der Insel, St. Martin, geregelt. Durch den Brexit könnte es nun zu erhöhten Zöllen kommen

Auch hinsichtlich medizinischer Versorgung oder Postdiensten seien die Inselbewohner auf die EU-Territorien angewiesen und der Grenzverkehr ist dabei nicht das einzige Problem, dass auf die Menschen zukommt.

Brexit trifft Anguilla hart: „Wir könnten ab Tag eins nach dem Brexit abgeschnitten sein von der Welt“ 

2017 wütete in der Karibik Hurrikan Irma und zerstörte große Teile Anguillas. Infolgedessen brach der für die Insel überlebensnotwendige Tourismus ein. Am damaligen Wiederaufbau hätten den mit Abstand größten Anteil Hilfsgelder der EU gehabt. Diese bedeutende Stütze der Entwicklungshilfe drohe mit dem Brexit nun wegzufallen - es sei denn, in London hat man sein kleines Inselterritorium noch nicht vollends vergessen. 

Alles in allem trifft der Brexit Anguilla sehr hart, wie Blondel Cluff, Anguillas Regierungsvertreterin, gegenüber dem Spiegel erklärt. Dabei spielen nicht nur finanzielle Belange eine Rolle, denn es gehe auch „um kulturelle und familiäre Verbindungen - wir könnten ab Tag eins nach dem Brexit abgeschnitten sein von der Welt.“ 

as

Großbritanniens Premierminister Boris Johnson* leidet aktuell am Coronavirus. Nach der Verlegung auf die Intensivstation gibt es nun Neuigkeiten um seinen Gesundheitszustand.

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Rubriklistenbild: © picture alliance/dpa / Yui Mok

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