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Aus Angst vor China-Spionage: US-Präsident Biden stellt sich hinter TikTok-Verbot

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Von: Sven Hauberg

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Das Weiße Haus hat sich hinter einen Vorstoß gestellt, TikTok zu verbieten. Die App bedrohe die nationale Sicherheit der USA: Denn die TikTok-Mutterfirma sitzt in China.

München/Peking/Washington – Ob sich die chinesische Außenamtssprecherin Mao Ning heimlich TikTok-Videos anschaut, ist nicht bekannt. Möglich wäre es, schließlich vertreiben sich Chinas Regierungsbeamte gerne die Zeit auf Apps und Internetseiten, die im eigenen Land eigentlich verboten sind. Auf Twitter etwa, dem wohl wichtigsten Propagandaorgan der Kommunistischen Partei im Ausland. Immer wieder jedenfalls sieht sich Mao veranlasst, TikTok zu verteidigen. Etwa am vergangenen Montag. Die USA würden „Technologie- und Handelsfragen politisieren“, polterte Mao auf einer Pressekonferenz in Peking – mit dem Ziel, „ihre Hegemonie aufrechtzuerhalten“. Kurz zuvor war bekannt geworden, dass der US-Senat an einem Verbot der beliebten Video-App strickt.

Wobei in dem überparteilichen Gesetzesvorschlag, den der demokratische Senator Mark Warner und sein republikanischer Kollege John Thune am Dienstag eingebracht hatten, der Name TikTok gar nicht explizit erwähnt wird. Muss er auch nicht, allen Beteiligten ist ohnehin klar, worum es geht. Das Gesetz, so hieß es aus Washington, erlaube den USA, „bestimmte ausländische Staaten daran zu hindern, technologische Dienste (...) in einer Weise zu nutzen, die die vertraulichen Daten der Amerikaner und unsere nationale Sicherheit bedroht“.

 USA: TikTok stellt „Bedrohung für nationale Sicherheit“ dar

Dazu muss man wissen: TikTok gehört zum chinesischen Privatkonzern Bytedance, der in der Volksrepublik die Schwester-App Douyin betreibt. Schon länger gibt es Befürchtungen, die chinesische Regierung könnte auf TikTok zugreifen – und damit auf die Daten von Hunderten Millionen Nutzerinnen und Nutzern in den USA und anderswo. Zudem wurden Sorgen laut, Peking könnte die Inhalte, die über die App ausgespielt werden, steuern – und so etwa Wahlen beeinflussen oder unliebsame Themen unterdrücken.

„Es wird weitgehend anerkannt, dass TikTok eine Bedrohung für unsere nationale Sicherheit darstellt“, erklärte Senator Thune bei der Vorstellung des Gesetzestextes, der parteiübergreifend bereits von einem Dutzend anderer Senatoren unterstützt wird. Auch das Weiße Haus hat sich mittlerweile hinter das geplante Gesetz gestellt, das der Handelsministerin Gina Raimondo ein Verbot der App erleichtern würde. Der Entwurf würde die Fähigkeiten der USA stärken, auf bestimmte „systemische Risiken“ zu reagieren, „an denen Länder beteiligt sind, die in sensiblen Technologiesektoren Anlass zur Sorge geben“, sagte Joe Bidens Sicherheitsberater Jake Sullivan.

TikTok fühlt sich derweil zu Unrecht an den Pranger gestellt und kritisierte das geplante Verbot seiner App scharf. Aus Chinas Außenministerium hieß es zudem, ein Verbot würde „gegen die Grundsätze der Marktwirtschaft und des fairen Wettbewerbs“ verstoßen.

Nicht nur wegen TikTok: USA und China auf Konfrontationskurs

Der Streit um die App, die von mehr als 100 Millionen Menschen in den USA und rund einer Milliarde Menschen anderswo genutzt wird, kommt in einer Zeit der zunehmenden Spannungen zwischen Peking und Washington. China sieht sich von den USA wirtschaftlich unter Druck gesetzt. Staats- und Parteichef Xi Jinping erklärte erst am Montag ungewöhnlich offen: „Die westlichen Länder, allen voran die Vereinigten Staaten, haben eine umfassende Eindämmung und Unterdrückung Chinas betrieben, was die Entwicklung des Landes vor nie dagewesene Herausforderungen gestellt hat.“ Dabei hat Xi Jinping vor allem ein US-Exportverbot für hochmoderne Mikrochips nach China im Blick. Aber auch das Vorgehen der USA und anderer westlicher Länder gegen den Mobilfunkausrüster Huawei sorgt für Beunruhigung in China.

Zwei junge Frauen nehmen in Miami ein TikTok-Video auf.
Zwei junge Frauen nehmen in Miami ein TikTok-Video auf. © Eva Marie Uzcategui/AFP

In den USA hingegen wird die Angst vor dem politischen Einfluss der Volksrepublik immer größer und nimmt bisweilen fast paranoide Züge an. Zuletzt etwa warnten US-Beamte laut Wall Street Journal, Hafenkräne des chinesischen Herstellers ZPMC, die auch in den USA häufig eingesetzt werden, könnten als Spionagewerkzeuge benutzt werden.

Mehrere Länder verbieten ihren Behörden die Nutzung von TikTok

Mit Angst vor TikTok ist die US-Regierung indes nicht alleine. Nachdem das Weiße Haus Ende Februar angeordnet hatte, die App müsse von allen Dienstgeräten der Bundesbehörden gelöscht werden, zogen später die EU-Kommission sowie Dänemark und Kanada mit ähnlichen Regelungen nach. Zuletzt warnte auch die Behörde für Cyber- und Informationssicherheit des China-kritischen Tschechien vor TikTok und stufte die App als „Bedrohung“ ein. Um zumindest den Sorgen der Europäer zu begegnen, kündigte TikTok erst am Mittwoch an, zwei weitere Rechenzentren in Irland und Norwegen bauen zu wollen. So sollen die Daten der europäischen App-Nutzer schrittweise von Singapur und den USA auf Rechner innerhalb Europas umziehen.

In Deutschland hat TikTok rund 19 Millionen Nutzende. Ein generelles Verbot erscheint hierzulande (noch) äußerst unwahrscheinlich. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber warnt allerdings schon länger vor der App und fordert, dass zumindest Bundesministerien und -behörden TikTok auf Diensthandys verbieten. Noch gibt es eine derartige Anweisung nicht; dennoch blockieren einem Bericht des Tagesspiegels zufolge alle Ministerien mit Ausnahme des Bundesgesundheitsministeriums die Nutzung der App.

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