„Putin reagiert nur auf Druck“: Hofreiter fordert Scholz-Ansage auf Ukraine-Reise
Schnelle Waffenlieferung und rascher EU-Beitritt: Vor der Kiew-Reise fordert Kanzler-Kritiker Hofreiter bei IPPEN.MEDIA von Scholz eine Zusage für eine harte Gangart gegen Putin.
Berlin/Kiew – Mehr Waffen und eine eindeutige Perspektive: Kurz vor der Kiew-Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) pochen die Grünen auf massive Unterstützung für die Ukraine. So sprach sich der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter, für eine schnelle Anbindung des Krisenlandes an die Europäische Union (EU) aus. „Putin und das Regime in Russland haben bislang immer nur auf harten Druck reagiert – und nicht auf Nachgeben“, sagte der Grünen-Politiker im Interview mit IPPEN.MEDIA. Deshalb sei es enorm wichtig, dass Scholz in Kiew mit einem Machtwort klarmache, dass der Weg der Ukraine in die EU führen werde. Befürchtungen, wonach dies Russland zu weiteren Eskalationen verleiten könnte, teilte er nicht.
Ukraine-Krieg: Vor der Kiew-Reise fordert Anton Hofreiter (Grüne) von Kanzler Scholz eine klare Position
Am Donnerstag will Scholz zu einem Besuch nach Kiew reisen. Offiziell bestätigt ist das Treffen mit Präsident Wolodymyr Selenskyj nicht – aus Sicherheitsgründen. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge ist aber geplant, dass der deutsche Kanzler zusammen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und dem italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi reisen wird. Es wird erwartet, dass neben weiteren Zusagen an europäischen Waffenlieferungen auch über den Beitrittswunsch der Ukraine zur EU gesprochen wird.

Bereits kurz nach dem Beginn des von Russlands Präsidenten befohlenen Ukraine-Krieges hatte die Ukraine einen Aufnahmeantrag in Brüssel gestellt. Die EU-Kommission prüft derzeit, ob das osteuropäische Land einen Status als Beitrittskandidat erhalten kann. Ende Juni sollen die Staats- und Regierungschefs der EU über das weitere Vorgehen beraten.
Ukraine-Krieg: Schnelle Waffenlieferung und rascher EU-Beitritt – Hofreiter warnt vor Ausweitung des Konflikts durch Putin
Hofreiter begrüßte diese Entwicklung. „Ich glaube schon, dass der anvisierte Beitritt zumindest einen kleinen Beitrag dazu liefern kann, den Konflikt zu verkürzen“, sagte er IPPEN.MEDIA. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass zu große Nachsicht mit Russland nichts gebracht habe und Putin eher zu dem Angriff auf die Ukraine ermuntert habe. „Meine Sorge ist deshalb groß, dass Russland weitermachen und in der Republik Moldau Ärger machen könnte“, warnte der Grünen-Politiker vor einer weiteren Eskalation des Ukraine-Konflikts.
Marder-Panzer für die Ukraine: Grünen-Politiker fordert zügige Ausfuhrgenehmigung für Rheinmetall
Vor diesem Hintergrund drängt der Bundestagsabgeordnete auf eine unmissverständlich härtere Gangart gegenüber Russland. Neben der Beitrittsperspektive müssten die EU-Staaten viel mehr Waffenlieferungen organisieren. Außer gepanzerten Fahrzeugen und schwerer Artillerie benötigt die Ukraine seinen Angaben zufolge vor allem auch mehr Munition. Dabei nahm Hofreiter auch die deutsche Bundesregierung in die Pflicht, die bislang zu langsam die entsprechenden Genehmigungen für die Waffenexporte erteile. Als Beispiel nannte er die ausgemusterten Marder-Panzer, die vom Rüstungskonzern Rheinmetall wieder einsatzfähig gemacht, aber bislang noch nicht für den Export gebilligt worden seien. „Wir müssen schneller werden“, sagte Hofreiter.
In den vergangenen Wochen war Hofreiter als Kritiker von Kanzler Scholz aufgefallen. Nachdem Deutschland wegen einer zögerlichen Haltung in der Frage nach Waffenlieferungen bei der ukrainischen Regierung in Ungnade gefallen war, hatte der Grünen-Politiker den deutschen Regierungschef als den Schuldigen ausgemacht. Das Problem, so kritisierte Hofreiter, „liegt im Kanzleramt“. In der Folge war es zwischen Berlin und Kiew zu einer Art diplomatischen Eiszeit gekommen.
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Auch wegen dieser Misstöne wird die Kanzler-Reise jetzt mit Spannung erwartet. Konkret wiederholen wollte Hofreiter seine Kritik am Kanzler nicht. Dennoch erwartet er von Olaf Scholz eine klare Ansprache. Scholz selber habe immer gesagt, dass er nicht für einen Fototermin in die Ukraine fahre, sondern nur, wenn es auch konkret etwas zu besprechen gebe, erinnerte Hofreiter. „Ich gehe fest davon aus, dass der Kanzler sich an seine eigenen Versprechen halten wird“, sagte Hofreiter.
Ukraine-Krieg: Viele Misstöne überschatten das Treffen von Scholz mit Selenskyj
Damit liegt der Grünen-Politiker auf einer Linie mit der Ukraine. Bereits am Dienstag hatte Präsident Selenskyj seinerseits die Erwartungen an das Treffen mit dem deutschen Bundeskanzler formuliert – Scholz muss mit Selenskyj also konkrete Fragen klären. Im Vergleich zu anderen Ländern seien die Waffenlieferungen aus Deutschland viel zu niedrig, kritisierte der Staatschef. Die deutsche Regierung müsse endlich konkrete Zusagen einhalten. „Sagt, was ihr wollt und wie ihr es wollt, aber helft uns“, forderte Selenskyj im Gespräch mit der Zeit. Am Mittwoch legte er dann noch einmal nach und warb eindringlich in einer Videoansprache vor dem tschechischen Parlament für die Aufnahme als EU-Beitrittskandidat. Dies würde unter Beweis stellen, so Selenskyj, dass Europa eine wirkliche Gemeinschaft sei und die europäischen Werte mehr bedeuteten als nur leere Phrasen.