Zusatzbeiträge: Rösler rät zu Kassenwechsel

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Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) rief die Versicherten zu einem Wechsel auf, falls ihre alte Kasse zusätzliche Gebühren erhebe.

Berlin - Mit der umstrittenen Gesundheitsreform tritt das zentrale Gesetz der Koalition für die Krankenversicherung in Kraft. Es verhindert ein Milliardendefizit der Kassen. Doch Millionen Versicherte müssen künftig Zusatzbeiträge zahlen.

Im neuen Jahr müssen wohl mehr gesetzlich Krankenversicherte als bisher Zusatzbeiträge zahlen. Das geht aus Angaben des Bundesversicherungsamts (BVA) hervor. Trotz der Milliarden-Zusatzeinnahmen aus der ab 1. Januar geltenden Gesundheitsreform kommen viele Kassen anders nicht über die Runden. Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) rief die Versicherten zu einem Wechsel auf, falls ihre alte Kasse zusätzliche Gebühren erhebe. “Es wird genügend Kassen ohne Zusatzbeiträge geben“, sagte er der “Saarbrücker Zeitung“ (Donnerstag). Zugleich warnte Rösler in der “Bild“-Zeitung (Donnerstag) die Ärzte vor einer Zweiklassenmedizin.

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KRANKENKASSE: Der Beitragssatz steigt von 14,9 auf 15,5 Prozent. Versicherte zahlen 8,2 Prozent, Arbeitgeber 7,3 Prozent. Zusatzbeiträge zahlt das Mitglied direkt an die Krankenkasse. Über die Höhe entscheidet jede einzelne Krankenkasse selbst. © dpa
STROM: Die meisten Anbieter erhöhen zum Jahreswechsel ihre Preise. Die steigende Strompreis-Umlage für erneuerbare Energien ist dafür ausschlaggebend. © dpa
BANKAUTOMATEN: Wer Geld an fremden Bankenautomaten abhebt, kann ab dem 15. Januar 2011 vor der Auszahlung sehen, wie viele Gebühren dafür anfallen. Sind sie zu hoch, kann man den Vorgang abbrechen. Und zwar ohne dass Kosten anfallen. © dpa
AUTO: Ab 2011 müssen alle Neuwagen serienmäßig mit speziellen Tagfahrleuchten ausgestattet sein. Sie schalten sich in den Scheinwerfern automatisch beim Starten des Motors ein. Die gute Nachricht: Nachrüsten muss niemand. © dpa
BENZIN: An den Tankstellen gibt es ab Januar 2011 eine neue Benzinsorte mit dem Namen E-10. Diese enthält einen deutlich höheren Anteil an Bio-Ethanol. © dpa
FÜHRERSCHEIN: Jugendliche mit Führerschein dürfen ab 1. Januar ab 17 Jahren Pkw und Lkw bis 3,5 t sowie Pkw mit Anhänger fahren. Aber Achtung: Das Fahren ist bis zum 18. Geburtstag nur in Begleitung eines erwachsenen Führerscheininhabers erlaubt. Der Beifahrer muss mindestens 30 Jahre alt sein und eine Reihe weiterer Voraussetzungen erfüllen. © dpa
LOHNSTEUERKARTE: Bis 2012 soll die elektronische Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerkarte aus Papier ablösen. Daher gilt - in der Übergangsphase - die Lohnsteuerkarte 2010 auch für 2011. © dpa
ARBEITSAGENTUR: Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung erhöht sich ab Januar von 2,8 Prozent auf 3,0 Prozent. © dpa
FAMILIEN: Für 2,4 Millionen Kinder aus Familien mit geringem Einkommen soll es ein Bildungspaket geben. Über Gesetz verhandelt derzeit der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat. Das Elterngeld bleibt erhalten. © dpa
BUNDESWEHR: Zum 3. Januar 2011 werden junge Männer letztmalig zum Wehrdienst einberufen. Ab 1. März 2011 verzichtet das Verteidigungsministerium darauf. Der Wehrdienst ist dann freiwillig. Am 15. Dezember hat das Bundeskabinett beschlossen, die Einberufung zum Wehrdienst auf unbestimmte Zeit auszusetzen. Die Wehrpflicht soll aber im Grundgesetz erhalten bleiben. Ab 1. Juli 2011 ist ein freiwilliger Wehrdienst für Männer und Frauen geplant. © dpa
HARTZ IV: Nach der Neuberechnung der Hartz-IV-Regelsätze sollen alleinstehende Erwachsene im Monat 5 Euro mehr erhalten. Über das entsprechende Gesetz verhandelt jedoch noch der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat. Kinder und Jugendliche sollen durch ein Bildungspaket unterstützt werden © dpa
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Er zeigte sich aufgeschlossen für den CDU-Vorschlag, Kassenpatienten künftig nur noch Zwei-Bett-Zimmer anzubieten. Die SPD warf der Regierung vor, den Bürgern gleich mehrfach in die Tasche zu greifen. Rösler sagte der “Bild“: “Ärzte und Patienten müssen wissen, dass gesetzlich Versicherte dasselbe Recht auf prompte Behandlung wie privat Versicherte haben.“ Er rate Patienten, sich vom Hausarzt eine Überweisung für den Facharzt zu holen. “Das geht oft schneller.“ Wie der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn ist auch Rösler für mehr Zwei-Bett-Zimmer in Kliniken. “Das Ziel, auch gesetzlich Versicherte nur noch in Zwei-Bett-Zimmern unterzubringen, ist ein guter Ansatz.“ Das stärke den Wettbewerb. Rösler: “Denn ein Krankenhaus mit Zwei- Bett-Zimmern hat eine höhere Anziehungskraft als andere.“

Die stellvertretende SPD-Chefin Manuela Schwesig kritisierte die schwarz-gelbe Reform als “Teil der größten Nettolüge, die unser Land je erlebt hat“. Die von der Opposition geforderte Bürgerversicherung lehnt Rösler jedoch ab. “Das ist reines Blendwerk. Opposition und Gewerkschaften führen Debatten von gestern“, sagte er. Als “relativ stabil“ bezeichnete BVA-Präsident Maximilian Gaßner die Finanzentwicklung der gesetzlichen Kassen 2011. Der Beitragssatzanstieg von 14,9 auf 15,5 Prozent, Einsparungen sowie Steuergeld gleichen ein Neun-Milliarden-Euro-Defizit der Kassen aus. Dennoch müssen bereits 2011 wahrscheinlich mehr Kassenmitglieder Zusatzbeiträge zahlen. Die 13 bundesweiten Kassen mit Zusatzbeitrag verlangen bis auf eine wohl alle den Aufschlag weiter, wie Gaßner der Nachrichtenagentur dpa sagte. Die eine oder andere Kasse müsse ihn eventuell leicht anheben. “Es werden auch noch vereinzelt welche dazukommen.“ Die Obergrenze beim Zusatzbeitrag von einem Prozent des Einkommens entfällt mit der Reform im Grundsatz.

Allerdings bekommen Versicherte künftig Geld zurück, wenn der durchschnittlich von allen Kassen benötigte Zusatzbeitrag zwei Prozent des Einkommens eines Kassenmitglieds übersteigt. Unionsfraktionsvize Johannes Singhammer (CSU) rechnet damit, dass 2013 mehrere Kassen diese Beiträge neu erheben müssen. “Wir werden das exakt beobachten“, sagte er der dpa. Problematisch für manche Kasse beim Zusatzbeitrag ist, dass viele Betroffene das Geld nicht überweisen. “Die Akzeptanzprobleme bei den 13 Kassen, die jetzt Zusatzbeiträge erheben, waren anfangs enorm“, erläuterte BVA-Präsident Gaßner. “Es gibt Kassen mit fünf Prozent Nichtzahlern und andere mit einem höheren Anteil.“ Die Zahl der Kassen ist unterdessen auf ein neues Rekordtief gesunken - und geht weiter zurück. “Wir werden Anfang 2011 noch circa 150 Kassen haben“, sagte Gaßner. Zum Start des Gesundheitsfonds 2009 waren es rund 200. “Und es stehen noch weitere Fusionen an. Ende 2011 werden wir unter 150 Kassen kommen.“ Bereits heute deckten 32 Kassen rund 90 Prozent des Marktes ab.

Für viele der knapp 9 Millionen Privatversicherten fällt das Beitragsplus höher aus als für die rund 50 Millionen zahlenden Kassenpatienten. Im Schnitt sind es laut der Analysefirma Morgen.&.Morgen sieben Prozent, bei einzelnen Tarifen sogar bis zu 34 Prozent, berichtete “Die Welt“. Für die gesetzlichen Kassen forderte die Vorsitzende ihres Spitzenverbands, Doris Pfeiffer, mehr Spielraum. “An der Gesundheitsreform vermissen wir mehr Möglichkeiten für die Kassen zum Wettbewerb“, sagte sie der dpa. Die Krankenhäuser seien eine der letzten wettbewerbsfreien Zonen in Deutschland. “Nötig sind mehr Einzelverträge mit Kliniken und Ärzten.“

dpa

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