Nur 2020 war schlechter

China verfehlt sein Wirtschaftsziel deutlich: zweitniedrigstes Wachstum seit Jahrzehnten

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China hat sein selbst gesetztes Wirtschaftsziel für 2022 klar verfehlt. Wie sich die Wirtschaft in diesem Jahr entwickelt, hängt vor allem vom weiteren Verlauf der Corona-Pandemie ab.

München/Peking – Die chinesische Wirtschaft ist in den vergangenen zwölf Monaten so langsam gewachsen wie seit Jahrzehnten nicht mehr – abgesehen vom ersten Pandemie-Jahr 2020. Wie Chinas Nationale Statistikbehörde am Dienstag in Peking bekannt gab, lag das Wirtschaftswachstum 2022 bei drei Prozent und damit nur leicht über den 2,3 Prozent, die 2020 gemeldet worden waren. Das war der niedrigste Wert seit 1976 gewesen. Weltweit wuchs die Wirtschaft laut einer Schätzung der Weltbank im vergangenen Jahr um 2,9 Prozent – Chinas Wachstum lag also nur knapp über dem weltweiten Durchschnitt.

Bereits am Freitag hatte der chinesische Zoll gemeldet, dass die Exporte des Landes im Dezember um 9,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zurückgegangen sind. Die Einfuhren sanken demnach um 7,5 Prozent. Für diesen dritten monatlichen Rückgang in Folge machen Analysten die Corona-Politik der Regierung in Peking verantwortlich sowie die nachlassende internationale Nachfrage. Gut läuft es hingegen für China Autoindustrie: Eigenen Angaben zufolge haben die chinesischen Hersteller im vergangenen Jahr 54,4 Prozent mehr Fahrzeuge exportiert als im Jahr zuvor. Sollten sich diese Zahlen bestätigen, wäre China – nach Japan und erstmals vor Deutschland – der zweitgrößte Autoexporteur weltweit.

Chinas Staats- und Parteichef: So stieg Xi Jinping zum mächtigsten Mann der Welt auf

Chinas heutiger Staatschef Xi Jinping (2. von links) mit anderen Jugendlichen im Mao-Anzug
Xi Jinping wurde am 15. Juni 1953 in Peking geboren. Als Sohn eines Vize-Ministerpräsidenten wuchs er sehr privilegiert auf. Doch in der Kulturrevolution wurde er wie alle Jugendlichen zur Landarbeit aufs Dorf geschickt. Das Foto zeigt ihn (zweiter von links) 1973 mit anderen jungen Männer in Yanchuan in der nordwestlichen Provinz Shaanxi. Dort soll Xi zeitweise wie die Einheimischen in einer Wohnhöhle gelebt haben. © imago stock&people
Xi Jinping steht vor der Golden Gate Bridge in San Francisco
Xi Jinping 1985 vor der Golden Gate Bridge in San Francisco: Damals war er als junger Parteichef des Landkreises Zhengding in der nordchinesischen Agrarprovinz Hebei Delegationsleiter einer landwirtschaftlichen Studienreise nach Muscatine im US-Bundesstaat Iowa. Dort nahm die Gruppe nach offiziellen Berichten „jeden Aspekt der modernen Landwirtschaft unter die Lupe“. Anschließend reiste Xi weiter nach Kalifornien. Es war sein erster USA-Besuch. © imago stock&people
Xi Jingping und Peng Liyuan
Zweites Eheglück: Xi Jinping und seine heutige Ehefrau, die Sängerin Peng Liyuan, Anfang 1989. Zu dieser Zeit war Xi Vizebürgermeister der ostchinesischen Hafenstadt Xiamen. Die beiden haben eine gemeinsame Tochter. Xis erste Ehe war nach nur drei Jahren an unterschiedlichen Lebenszielen gescheitert. Seine erste Frau, die Diplomatentochter Ke Lingling, zog in den 1980er-Jahren nach Großbritannien. © imago
Xi Jinping gräbt mit Parteikollegen an einem Damm zur Verstärkung eines Deiches in Fujian
Aufstieg über die wirtschaftlich boomenden Küstenregionen: 1995 war Xi Jinping bereits stellvertretender Parteichef der Taiwan gegenüberliegenden Provinz Fujian – und noch ganz volksnah. Im Dezember 1995 arbeitet er mit an der Verstärkung eines Deiches am Minjiang-Fluss. © Imago/Xinhua
Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigt Chinas Vizepräsident Xi Jinping das Regierungsviertel in Berlin
Vizepräsident Xi Jinping 2009 im Kanzleramt bei Angela Merkel: Die deutsch-chinesischen Beziehungen waren unter Merkel relativ eng und von wirtschaftlicher Zusammenarbeit geprägt. Merkel und Xi reisten aus Berlin weiter nach Frankfurt, um die dortige Buchmesse zu eröffnen. China war als Ehrengast geladen. © GUIDO BERGMANN/Pool/Bundesregierung/AFP
Die Vizepräsidenten Xi Jinping aus China und Joe Biden aus den USA halten T-Shirts mit einer Freundschaftsbekundung in die Kamera
Ein Bild aus besseren Zeiten: Aus ihrer jeweiligen Zeit als Vizepräsidenten kamen Joe Biden und Xi Jinping mehrmals zusammen. Im Februar 2012 demonstrierten sie bei einer Reise Xis nach Los Angeles in einer Schule „guten Willen“ zur Freundschaft mit T-Shirts, die ihnen die Schüler überreicht hatten. Damals fehlten Xi nur noch wenige Monate, um ganz an die Spitze der Kommunistischen Partei aufzusteigen. © FREDERIC J. BROWN/AFP
Ein alter Mann in Shanghai schaut auf Xi bei seiner ersten Rede als Parteichef im Fernseher.
Xi Jinping hat es geschafft: Zum Ende des 18. Parteitags am 15. November 2012 wurde Xi als neuer Generalsekretär der Kommunisten präsentiert – und ganz China schaute zu. Xi gelobte in seiner ersten kurzen Rede als Parteichef, die Korruption zu bekämpfen und ein „besseres Leben“ für die damals 1,3 Milliarden Menschen des Landes aufzubauen.  © PETER PARKS/AFP
Der neue Staatschef Xi Jinping geht hinter seinem Vorgänger Hu Jintao zu seinem Platz in der Großen Halle des Volkes in Peking.
Übernahme auch des obersten Staatsamtes: Xi Jinping wurde auf dem Nationalen Volkskongress im März 2013 Präsident und schloß damit den Übergang von seinem Vorgänger Hu Jintao (vorn im Bild) zur Xi-Ära ab. © GOH CHAI HIN/AFP
Chinas Präsident und seine Ehefrau Peng Liyuan gehen über den Flughafen Orly in Paris.
Xi Jinpings Ehefrau Peng Liyuan ist die erste First Lady Chinas, die auch öffentlich in Erscheinung tritt. Hier kommt das Ehepaar zu einem Staatsbesuch in Frankreich an. Die Gattinnen von Xis Vorgängern hatten sich nie ins Rampenlicht gedrängt. Vielleicht auch, weil Maos politisch aktive dritte Ehefrau Jiang Qing nach dem Tod des „Großen Vorsitzenden“ als Radikale verurteilt worden war. © YOAN VALAT/Pool/AFP
Funktionäre der Kommunistischen Partei Chinas auf dem Weg zum Parteitag in Peking
So sehen KP-Funktionäre aus: Delegierte des 19. Parteitags auf dem Weg zur Großen Halle des Volkes in Peking im Oktober 2017. Auf diesem Parteitag gelang es dem Staats- und Parteichef, seine „Xi Jinping-Gedanken zum Sozialismus Chinesischer Prägung in der Neuen Ära“ in die Parteiverfassung aufzunehmen. Er war der erste nach Mao, der zu Lebzeiten in der Verfassung eine Theorie mit seinem Namen platzieren konnte. Einen Kronprinzen präsentierte Xi auf dem Parteitag nicht – entgegen den normalen Gepflogenheiten. © GREG BAKER/AFP
Xi Jinping nimmt in einer Staatslimousine „Rote Fahne“ die Parade zum 70. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik China ab.
70 Jahre Volksrepublik China: Staatschef Xi Jinping nahm 2019 in einer offenen Staatslimousine Marke „Rote Fahne“ die Militärparade in Peking zum Jahrestag der Staatsgründung ab. © GREG BAKER/AFP
Wirtschaftsforum in Wladiwostok
Xi Jinping pflegt eine offene Freundschaft zu Russlands Präsidenten Wladimir Putin – bis heute, trotz des russischen Angriffskrieges in der Ukraine. Putin und Xi teilen die Abneigung gegen die von den USA dominierte Weltordnung. Hier stoßen sie 2018 bei einem gemeinsamen Essen auf dem Wirtschaftsforum von Wladiwostok, auf dem sich Russland als Handelspartner und Investitionsziel im asiatischen Raum präsentierte, miteinander an. © Sergei Bobylev/POOL TASS Host Photo Agency/dpa
Xi Jinping besucht im weißen Kittel ein Labor und lässt sich die Impfstoffentwicklung erklären
Ende 2019 brach in China die Corona-Pandemie aus. Im April 2020 informierte sich Xi Jinping in einem Labor in Peking über die Fortschritte bei der Impfstoffentwicklung. Xi ist bis heute überzeugt, dass China die Pandemie besser im Griff hat als der Rest der Welt. Seine Null-Covid-Politik beendet er nicht, wohl auch wegen der viel zu niedrigen Impfquote unter alten Menschen. © Ding Haitao/Imago/Xinhua
Xi Jinpings Konterfei lächelt von einem Teller mit rotem Hintergrund
Auf dem 20. Parteitag im Oktober 2022 ließ sich Xi Jinping zum dritten Mal zum Generalsekretär der Kommunisten ernennen. Damit ist er der mächtigste Parteichef seit Mao Zedong. © Artur Widak/Imago

China verfehlt sein Wirtschaftsziel deutlich

Ursprünglich hatte Chinas Regierung im vergangenen März ein Wachstumsziel von 5,5 Prozent für 2022 ausgegeben. Was damals angesichts eines Wertes von 8,4 Prozent im Jahr 2021 noch realistisch erschien, erwies sich im Laufe des vergangenen Jahres als zunehmend illusorisch. So hatte die chinesische Wirtschaft nicht nur mit den weltweiten Auswirkungen des Ukraine-Kriegs zu kämpfen, sondern auch mit den strikten Corona-Lockdowns, die vor allem im Frühjahr mehrere Millionenstädte lahmgelegt hatten. Zwei Monate lang wurde etwa die Wirtschaftsmetropole Shanghai größtenteils abgeriegelt, sodass sich vor dem Hafen der Stadt die Containerschiffe stauten – und in der Folge weltweit die Lieferketten ins Stocken gerieten. Erst Anfang Dezember verabschiedete sich China von seiner strengen Null-Covid-Politik, mit der fast drei Jahre lang versucht worden war, eine Ausbreitung des Coronavirus mit Lockdowns, Massentests und Zwangsquarantäne zu unterbinden.

Für das laufende Jahr dürfte Analysten zufolge entscheidend sein, wie sich die Corona-Lage in China weiter entwickelt. „Das Wichtigste ist, dass China seinen Kurs beibehält und nicht vor der Wiedereröffnung zurückschreckt“, sagte etwa Kristalina Georgieva, die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF). „Wenn sie den Kurs beibehalten, wird China bis etwa Mitte des Jahres einen positiven Beitrag zum durchschnittlichen globalen Wachstum leisten.“

China steht vor der zweiten Corona-Welle

Derzeit stecken sich Schätzungen zufolge jeden Tag mehrere Millionen Menschen in China mit dem Coronavirus an. Laut Berechnungen des in London ansässigen Datenverarbeiters Airfinity dürften die Infektionszahlen bereits am 13. Januar einen ersten Höhepunkt erreicht haben. Am 3. März, wenige Woche nach dem chinesischen Neujahrsfest am 22. Januar, ist Airfinity zufolge mit einem zweiten Höhepunkt zu rechnen. Danach werden die täglichen Infektionszahlen den Analysten zufolge deutlich zurückgehen; ein Großteil der Bevölkerung dürfte sich dann bereits mindestens einmal infiziert haben. In mehreren chinesischen Millionenstädten und Provinzen haben laut Angaben der lokalen Behörden bereits jetzt mehr als die Hälfte der Bewohner eine Infektion hinter sich. „Im Dezember waren massenhaft Mitarbeiter krank“, erzählt etwa ein deutscher Manager aus Shanghai. „Jetzt sind alle wieder zurück im Büro.“

Hafenarbeiter in der Provinz Jiangsu: Chinas Wirtschaft wuchs 2022 nur um drei Prozent.

Bislang scheinen sich die vielen Millionen Krankheitsfälle in China nicht auf die weltweiten Lieferketten auszuwirken. Ein Indikator dafür ist der Welt-Container-Index, der angibt, wieviel die Verschiffung eines Standardcontainers von Shanghai nach Rotterdam kostet. Aktuell liegt der Preis laut der Beratungsfirma Drewry bei rund 2.000 US-Dollar und damit auf etwa demselben Niveau wie vor Beginn der Corona-Pandemie. Während des Lockdowns in Shanghai im vergangenen Frühjahr mussten Kunden noch den drei- bis vierfachen Preis zahlen, um ihre Waren zu verschiffen.

Deutschland will sich unabhängiger von China machen

Für das laufende Jahr erwartet die Weltbank in China ein Wachstum von 4,3 Prozent. Manche Analysten rechnen allerdings frühestens mit Beginn des zweiten oder dritten Quartals mit einer deutlichen Erholung der chinesischen Wirtschaft. „Eine vollständige Rückkehr zur Normalität in China wird noch mindestens sechs Monate dauern“, sagt etwa Dhiraj Bajaj von der Investmentbank Lombard Odier. Die Wirtschaftstätigkeit dürfte Anfang 2023 ihren Tiefpunkt erreichen, so Bajaj.

Das Ende von Chinas Null-Covid-Politik bedeutet auch, dass die Chinesen ihre wiedergewonnene Freiheit in diesem Jahr vermehrt zum Reisen nutzen dürften – und zum Konsumieren. Analysten rechnen damit, dass vor allem die europäische Luxusgüterindustrie davon profitieren dürfte.

Chinas Regierung hatte im Dezember mehrere Maßnahmen beschlossen, um die Wirtschaft in diesem Jahr zu stärken. So sollen der Binnenkonsum gestärkt und zusätzliche ausländische Investitionen angezogen werden. „Chinas Wirtschaft schüttelt den Schatten von Covid-19 ab, gestützt auf ein enormes Potenzial und eine unterstützende Politik“, schrieb unlängst Chinas staatliche Nachrichtenagentur Xinhua. Die Regierung sei „zuversichtlich, im Jahr 2023 eine allgemeine Erholung und Verbesserung seiner Wirtschaftsleistung zu erreichen“, zitierte Xinhua den stellvertretenden Direktor der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission, Zhao Chenxin. Ausländische Beobachter beunruhigt allerdings, dass China unter Staats- und Parteichef Xi Jinping wieder vermehrt auf staatliche Eingriffe in die Wirtschaft setzt.

Eine große Unbekannte ist zudem die noch immer schwelende chinesische Immobilienkrise, die zu Verwerfungen in der weltweiten Wirtschaft führen könnte. Hinzu kommt eine unsichere internationale Lage: Aufgeschreckt durch den russischen Überfall auf die Ukraine und vor dem Hintergrund zunehmender chinesischer Drohungen gegenüber Taiwan, versuchen derzeit mehrere westliche Länder, von China unabhängiger zu werden. Auch Deutschland müsse seine Abhängigkeiten von der Volksrepublik reduzierten, sagte die FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann im Interview mit dem Münchner Merkur von IPPEN.MEDIA. „Geschäfte zu machen, ohne wahrzunehmen, was geostrategisch in der Welt geschieht, das geht heute nicht mehr“, so Strack-Zimmermann. „Man muss schon im Auge behalten, nicht die zu füttern, die uns am Ende fressen wollen.“

Rubriklistenbild: © Hector Retamal/afp

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