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„Keine Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen“: VW hält am umstrittenen Werk in Uiguren-Region fest

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Von: Robert Wallenhauer

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Die Lage der Menschenrechte in China ist für VW ein heikles Thema. Die Forderungen nach einem Rückzug aus der Uiguren-Region reißen nicht ab. Doch der Autobauer lässt sich davon nicht beirren

Peking/Wolfsburg - Der Volkswagen-Konzern hält trotz massiver Kritik an seinem umstrittenen Werk in der chinesischen Region Xinjiang fest. „Natürlich kennen wir die kritischen Berichte, wir nehmen das sehr ernst“, sagte China-Vorstand Ralf Brandstätter am Rande eines Besuchs des Werks in der Uiguren-Region in dieser Woche. Zuvor hatten zahlreiche internationale Medien über systematische Unterdrückung der muslimischen Uiguren berichtet. Auch die UN warnte vor Menschenrechtsverstößen in der westchinesischen Region. „Aber wir haben keine Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen in diesem Werk - das hat sich nach meinem Besuch nicht geändert“, versicherte Brandstätter.

VW Werk in Xinjiang: Nach einem Besuch des VW-China-Chefs hält der Konzern weiter am Werk fest.
VW-Werk in Xinjiang: Nach einem Besuch des VW-China-Chefs hält der Konzern weiter am Werk fest. © Stephan Scheuer/dpa

Brandstätter war Mitte Februar für zwei Tage in die Stadt Ürümqi gereist, um sich in der örtlichen Fabrik umzusehen. „Ich habe keine Widersprüche festgestellt“, sagte Volkswagens China-Chef. „Ich habe keinen Grund, an den Informationen und meinen Eindrücken zu zweifeln. Ungeachtet dessen schauen wir natürlich trotzdem weiter hin.“

Systematische Unterdrückung in Xinjiang

Medien hatten bereits im November 2019 über ein 24 Seiten langes Dokument der lokalen Regierung berichtet. Die von der kommunistischen Führung als „Weiterbildungseinrichtungen“ beschriebenen Lager seien in Wirklichkeit streng bewachte Haftanstalten, berichtete das Konsortium Investigativer Journalisten (ICIJ). In den Lagern solle die muslimische Minderheit „umerzogen“ werden. Das Regierungspapier widerlege auch die Beteuerungen Pekings, wonach der Aufenthalt darin freiwillig sei.

Ein Bericht des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte hatte voriges Jahr von schwerwiegenden Verstößen in Xinjiang gesprochen. Auch nach Auffassung von Nichtregierungsorganisationen sind gravierende Verletzungen elementarer Rechte dokumentiert.

„Wir sind in der Tat tief besorgt über die Feststellung in diesem Bericht und haben ihn uns sehr genau angesehen“, sagte der Leiter der Außenbeziehungen bei VW, Thomas Steg. „Wir haben die Situation niemals ignoriert oder auf die leichte Schulter genommen, sondern immer wieder deutlich gemacht, dass der Volkswagen-Konzern weder Zwangsarbeit noch andere Formen der Diskriminierung duldet.“

China und die Region Xinjiang: In Ürümqi unterhält VW ein Werk.
China und die Region Xinjiang: In Ürümqi unterhält VW ein Werk. © dpa Grafik

China ist für VW ein extrem wichtiger Markt

Internationale Kritik an der Lage in Xinjiang bringt die Wolfsburger - wie andere Firmen mit China-Geschäft - immer wieder in Erklärungsnot. Zwar sank der VW-Konzernabsatz in der Volksrepublik 2022 vor allem wegen neuer Covid-Lockdowns um 3,6 Prozent. Insgesamt bleibt das Land für das größte deutsche Unternehmen jedoch ein unentbehrlicher Markt.

Die knapp 3,2 Millionen dort verkauften Konzernfahrzeuge machten zuletzt einen Anteil von über 38 Prozent aller global ausgelieferten Wagen aus. So kann sich ein Dilemma zwischen wirtschaftlichen Interessen und politischen Zielen ergeben. Die neue VW-Aufsichtsrätin Julia Willie Hamburg hatte zu ihrer Zeit als Oppositionspolitikerin im niedersächsischen Landtag mehrere kritische Anfragen dazu an die Regierung gestellt. Niedersachsen ist zweitmächtigster VW-Aktionär.

VW-Werk in Ürümqi wird zusammen mit chinesischer Firma betrieben

Man selbst habe nur begrenzte Möglichkeiten der Steuerung in Ürümqi, weil eine Tochtergesellschaft des nicht von Volkswagen kontrollierten Gemeinschaftsunternehmens mit dem chinesischen Partner SAIC das Werk betreibe, erklärte Steg: „Entscheidungen können nur einvernehmlich getroffen werden - es gibt bestehende Verträge. Mit unserem Partner SAIC stimmen wir darin überein, dass in gemeinsamen Unternehmungen Grundwerte und Recht eingehalten und geschützt werden müssen.“

Das 2012 gestartete Werksprojekt sei interessant gewesen, weil die Autonachfrage in der strukturschwachen Region als hoch eingeschätzt wurde. Im Laufe der Zeit habe sich das Klima gewandelt, so Steg - auch weil sich die Politik der Pekinger Regierung in der autonomen uigurischen Region etwa nach einem Terrorattentat verändert habe.

VW-Manager Brandstätter: Im Werk herrsche ein gutes Betriebsklima

Brandstätter schilderte sein eigenes Bild: „Das Werk unterscheidet sich nicht von anderen Werken der Joint-Venture-Gesellschaften in China. Ich habe ein engagiertes Team kennengelernt. Es wird für ein gutes Betriebsklima gesorgt, auch durch gezielte Integrationsmaßnahmen. Zudem wird offensichtlich großer Wert auf ein gutes Miteinander gelegt.“ Er hatte im vergangenen Sommer den Posten des China-Chefs übernommen.

Derzeit produzieren VW und SAIC in Ürümqi keine eigenen Fahrzeuge, sondern nehmen dort aus anderen Fabriken zugelieferte Wagen technisch in Betrieb. 2023 sollen es laut Brandstätter rund 10.000 Stück sein, die anschließend an regionale Händler verteilt werden. Noch knapp 240 Beschäftigte seien aktuell am Standort im Einsatz - erheblich weniger als vor der Corona-Krise.

17 Prozent der Beschäftigten im umstrittenen Werk sind Uiguren

Brandstätter sagte, er habe einen ausführlichen Rundgang durch das Werk gemacht. Mit sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern habe es außerdem ein längeres Gespräch gegeben - unter ihnen Uiguren sowie Repräsentanten weiterer Gruppen wie Kasachen und Han-Chinesen. In einigen Fällen habe man sich auch auf Englisch verständigen können. Regierungs- oder Verwaltungsvertreter seien nicht dabei gewesen.

29 Prozent der Beschäftigten in Ürümqi gehörten Minderheiten an, 17 Prozent seien Uiguren. „Die verschiedenen Bevölkerungsgruppen sind in etwa gleich verteilt über Produktion, technische Berufe und auch das Management.“ Drei Viertel der Beschäftigten seien nach Daten des Partners SAIC bereits seit acht Jahren oder länger dort angestellt.

Muslimische Männer der Uiguren kommen aus der Id Kah Moschee nach den Freitagsgebeten.
Muslimische Männer der Uiguren kommen aus der Id Kah Moschee nach den Freitagsgebeten. © How Hwee Young/dpa

VW-Betriebsrat besorgt um Menschenrechte

Der VW-Betriebsrat unterstrich, ein formal gesehen fehlender direkter Durchgriff auf die Abläufe in dem Werk „entbindet den Konzern nicht davon, sich den Themen zu stellen und dazu aktiv zu positionieren“. Generell blicke man mit großer Sorge auf das Thema Menschenrechte in China. „Die Fakten, die der Weltgemeinschaft diesbezüglich gerade über Xinjiang vorliegen, sind unmissverständlich“, hieß es aus der Belegschaftsvertretung in Wolfsburg.

Laut Steg laufen die bestehenden Verträge mit SAIC dort noch bis Anfang der 2030er Jahre. „Und wir entnehmen aus den Gesprächen mit SAIC, dass der Partner das Werk nicht infrage stellt.“ China bleibe für VW ein zentraler Absatzmarkt und Technologietreiber gleichermaßen.

Eine Neuausrichtung der China-Politik könnte auch Folgen für deutsche Investitionen haben. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte erklärt, Bundesbürgschaften würden mit Blick auf Umwelt-, Sozial und Menschenrechtsaspekte genau geprüft. „Ja, da hat es eine Entscheidung gegeben, Anträgen auf Verlängerung von Garantien nicht stattzugeben“, sagte Steg. „Aber es ging dabei nicht um Investitionen in Xinjiang.“

Derweil haben VW, BMW und Mercedes in China immer weniger zu melden. Ein Grund ist die Abkehr von Verbrennermotoren. (dpa/rowa)

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